Böse Zungen behaupten, die Dresdner hätten Barockstaub im Gehirn.

Nach der Wende wurde die völlig zerstörte Dresdner Altstadt komplett wieder aufgebaut. Auf einer struppigen Wiese entstehen Neubauten, die so aussehen wie in Bildbänden. Und die Frauenkirche selbst steht heute makellos runderneuert in deren Mitte.

Der Anblick lässt Kritiker, die über das „Disneyland“ von Dresden spotten, verstummen. Jetzt ist das Postkartenmotiv verstellt, durch das Werk des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni. Auf den Kopf gestellte, ausrangierte deutsche Linienbusse versperren den Blick. Bewohner der Stadt Aleppo haben sich mithilfe solch einer Barrikade aus Linienbussen vor Scharfschützen geschützt. Dass Dresden nun genau hier genau diese Skulptur aufstellen ließ, ist ein mutiges Zeichen für eine Stadt, die als Geburtsort von Pegida – einer islam- und fremdenfeindlichen Organisation – international bekannt geworden ist. Dem Zeichen gebührt Respekt!

Eine Stadt in Flammen: Am 13. Februar 1945 bombardierten die Alliierten Dresden. Seitdem wird das Datum instrumentalisiert – erst von den Nazis, später von der DDR. Bis heute streitet die Stadt um die Erinnerung.

In den Bombennächten von Dresden sterben 25.000 Menschen. Der 13. Februar 1945 wirft einen langen Schatten über die Stadt. Deren Bewohner streiten bis heute über den richtigen Umgang mit dem Datum.

Dresden, die sächsische Barockstadt als einzigartiges Opfer im Zweiten Weltkrieg – dieser Mythos hat bis heute Bestand.

Bereits zwei Tage nach dem Angriff gibt das Reichspropagandaministerium eine Meldung an das „Deutsche Nachrichtenbüro“, in der von einer planmäßigen Vernichtung der Bevölkerung die Rede ist. Diese Nachricht findet in die internationale Presse, so beispielsweise in das Svenska Morgenbladet, das von hunderttausend Toten unter den Millionen Flüchtlingen und Einwohnern Dresdens schreibt. Diese scheinbar „neutrale“ Meldung aus dem Ausland wird in der deutschen Presse begeistert aufgegriffen, die die Nachricht vom hunderttausendfachen Opfertod im ganzen Reich verbreitet, um die Deutschen für den Endkampf vorzubereiten. Der Mythos entstand noch in den rauchenden Trümmern.

Worum ging es den Alliierten bei der Bombardierung? Die Stadt war ein militärisches Ziel, es ging darum den Nachschub zur Front zu stören. Natürlich war klar, dass es auch zivile Opfer geben wird. Aber die Bombardierung war kein blinder Vergeltungsschlag, bei dem sinnlos eine Kulturstadt ausgelöscht werden sollte.

Dieses Motiv wurde auch von der DDR-Führung aufgegriffen. Die Zerstörung Dresdens wird als Terrorwerk des Westens propagiert. In den fünfziger und sechziger Jahren kommen anlässlich des 13. Februars die Spitzen der DDR zusammen. Es gibt Aufmärsche, Demonstrationen und Ausstellungen. Gleichzeitig geht es auch darum zu zeigen, wie aus den Trümmern eine neue Gesellschaftsordnung entsteht. In den achtziger Jahren wird nur noch zum 40. Jahrestag der Bombardierung ein großer Gedenkakt inszeniert. Das hängt eng mit dem atomaren Wettrüsten zusammen. Zu der Zeit sind es vor allem kirchliche Akteure, die das Erinnern an den 13. Februar aufgreifen und es zum Friedensapell formulieren.

Ein zentraler Punkt des Mythos Dresden sind die Opferzahlen – als 2008 eine Historikerkommission zu dem Ergebnis kommt, dass durch die Bombardierung 25.000 Menschen getötet wurden, gibt es unter den Dresdnern einen Aufschrei. Die hohe Opferzahl war lange Beweis der Einzigartigkeit dieses Angriffs und somit der Beweis für die Einzigartigkeit dieses Orts. In keiner anderen Stadt gab und gibt es einen solchen Wettlauf um die höchsten Opferzahlen. 25.000 Tote sind viel. Aber bei der Bombardierung von Hamburg starben 34.000 Menschen, das spielt dort nicht so eine starke Rolle. Sieht man in Dresden bei einem Spaziergang durch die Stadt plötzlich die Zahl auf eine Wand gesprüht, weiß jeder Dresdner, was damit gemeint ist. Warum ist den Dresdnern diese Einzigartigkeit so wichtig? Die Zahl ist Teil der Identität der Stadt. Erinnerung hat wenig mit Geschichte zu tun, sondern mit der Verwandlung der Vergangenheit in Geschichte.

Die einzigartige Barockstadt wird im Zweiten Weltkrieg zum einzigartigen Opfer, um schließlich wie Phönix aus der Asche wieder aufzuerstehen. Besonders gut kann man das auf dem Neumarkt sehen, wo die Frauenkirche steht. Eigentlich war deren Wiederaufbau als Fingerzeig in die Vergangenheit gedacht. Doch in den neunziger Jahren wurde sie vor allem zum Symbol der Versöhnung, dafür, dass Narben heilen können. Mittlerweile ist sie vor allem ein Schmuckkästchen. Das Einzigartige rückt wieder in den Mittelpunkt.

Die Bombardierung von Dresden wurde über Jahrzehnte hinweg instrumentalisiert. Rechtsextreme nutzten sie, um riesige Aufmärsche zu organisieren. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gibt es erst seit einigen Jahren.

Woher kommt der Impuls, über die Erinnerung der Stadt kritisch nachzudenken? Der 13. Februar ist immer weniger Familiengeschichte. Die kritische Auseinandersetzung wird vor allem von Nachgeborenen betrieben. Aufmärsche Rechtsradikaler haben für Druck gesorgt. Dresden lebt sehr stark vom Tourismus und damit von der Außenwirkung.

Instrumentalisierung durch Neonazis sorgt nicht gerade für „gute Presse“.

 

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