„Deal or no deal?“. Das ist die Frage, mit der wir uns im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit der Türkei beschäftigen müssen. Eine Hand wäscht die andere: Die Kanzlerin wirbt für einen Deal mit der Türkei. Einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik lehnt sie ab. Aber sie weiß: Europa ist an einem entscheidenden Punkt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Türkei weitere Milliardenhilfen in der Flüchtlingskrise in Aussicht gestellt. Ein EU-Beitritt des Landes stehe aber „nicht auf der Tagesordnung“.

Die Flüchtlingswelle bei uns ist tatsächlich abgeebbt. Hat unsere Regierung die Sache doch in den Griff bekommen? Ja, es sind weniger geworden! Aber woran liegt das? Laut verlässlichen Berichten machen sich aus Ländern wie unter anderem Syrien, Afghanistan und Irak nahezu ungebremst Wellen von Migranten auf den Weg nach Europa. Laut Bundesregierung und BAMF im Februar diesen Jahres rechnet man 2016 mit weiteren 500.000 Migranten, welche nach Deutschland wollen.

Alles wieder gut? Ein Blick hinter die Kulissen: Die Balkanroute ist dicht. Zäune und Stacheldraht halten die Migranten dort von der Weiterreise ab. In Griechenland „stapeln“ sich die Flüchtlinge buchstäblich unter miserabelsten und menschenunwürdigen Bedingungen. Die Grenzstadt Idomeni ist total überfordert. In der Türkei hielten sich bisher (Anfang März 2016) 2,7 Millionen Flüchtlinge – vornehmlich aus Syrien – auf. Zum Vergleich: in der Europäische Union nur 2 Millionen. Erdogan plant eine Flüchtlingsstadt an der syrischen Grenze. Auf syrischem Gebiet dürfte dies völkerrechtswidrig sein. Zumal dies keine menschenfreundliche Geste des türkischen Präsidenten darstellt. Damit will er zum einen erreichen, dass weniger Menschen aus Syrien in die Türkei fliehen. Zum anderen will Erdogan entlang der Grenze zu Syrien einen mehrere Kilometer breiten Pufferstreifen schaffen. Damit könnte Ankara den Vormarsch syrischer Kurden kontrollieren. Das dürfte der eigentliche Hintergrund von Erdogans „Großzügigkeit“ sein, denn die Kurden sind ihm wegen ihrer Autonomiebestrebungen schon lange ein Dorn im Auge.

Die Masse der Flüchtlinge wäre somit schon heute bei uns angekommen, hätten nicht die Türkei und die Balkanländer derart drastische Maßnahmen ergriffen. Das Problem ist lediglich regional bzw. national verschoben, nicht gelöst. Die Fluchtursachen bestehen nach wie vor – vor allem in Syrien!

Als Gegenleistung für seine Politik verlangt Ankara insgesamt sechs Milliarden Euro von der EU, Visafreiheit für türkische Bürger schon ab Juni diesen Jahres, sowie beschleunigte Beitrittsverhandlungen mit Brüssel. Viele sprechen von „Erpressung“. Erdogan will die Situation (aus)nutzen, um sein Land in die EU hinein zu manövrieren. Derzeit stiefmütterlich behandelt werden die Themen „Wahrung der Pressefreiheit“ und „Umgang mit den Kurden“ in der Türkei. Die Zustände in Idomeni/Nord-Griechenland sind hinreichend bekannt. Wie es den 2,7 Millionen Flüchtlingen in der Türkei geht, darüber wird wenig berichtet. Wenn insgesamt sechs Milliarden Euro fließen sollten und die türkischen Forderungen erfüllt werden, wer garantiert den Flüchtlingen in der Türkei, dass ihnen dauerhaft ein menschenwürdige Existenz gewährt wird?! Die Pläne einer Stadt auf fremdem Gebiet sprechen Bände …

Eine europäische Lösung der Krise ist derzeit nicht in Sicht, um nicht zu sagen: eine solche ist gescheitert! Griechenland wird der Lage um Idomenie kaum noch Herr. Wer garantiert, dass die geplanten Massenabschiebungen von Griechenland in die Türkei rechtmäßig, sprich im Einklang mit europäischem und internationalem Recht sind?!

Es ist im Moment viel dem kritischen Auge der Öffentlichkeit entrückt, vielleicht auch verschwiegen worden. Die Angelegenheit ist für uns alle – für die Flüchtlinge wie auch für Europa – lästig. Aber wir müssen mit ihr umgehen und eine Lösung finden.

Die Lösung muss sich bewegen auf dem Boden des Rechts, nicht hinter Stacheldraht. Wir haben uns in Europa für die Demokratie entschieden. Demgemäß gilt es Regelungen zu finden, die auf rechtlichen Grundlagen fußen.

Panikentscheidungen fallen irgendwann auf uns zurück!

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