Er war beim Kreml in Ungnade gefallen und wurde wegen Steuervergehen festgenommen. Letztendlich saß er zehn Jahre lang in Haft. Die Rede ist von dem früheren russischen Oligarchen Michael Chodorkowski.

In einem Interview mit der russischen Zeitung „Sobesednik“ hat er nun über seinen Intimfeind Putin gesprochen: „Wenn ihm scheint, dass es außer Krieg keine andere Möglichkeit zur Machterhaltung gibt, dann ist ein Krieg wahrscheinlich.“

Chodorkowski warnt die Vereinigten Staaten davor, Waffen in die Ukraine zu schicken. Das könnte einen Krieg zwischen Amerika und Russland provozieren. Neben der Ukraine benennt Chodorkowski noch zwei weitere Regionen, von denen der große Krieg ausgehen könnte: Zum einen die baltischen Staaten, in die die USA Panzer und weiteres Rüstungsmaterial geschickt haben, um die Länder vor einer möglichen russischen Aggression zu schützen.

Zum anderen den Nahen Osten – hier steht Putin hinter dem syrischen Machthaber Assad – den die USA bekämpfen. Der Kremlchef agiere irrational, lebe in einer anderen Realität und habe sich selbst nicht mehr im Griff, so Chodorkowski. Deshalb sei Putins Verhalten nicht vorhersehbar, lautet sein Urteil.

Nicht zuletzt spricht auch der ehemalige Wirtschaftsminister Russlands unter Boris Jelzin, Jewgeni Jasin, davon, dass es in Russland zwei Eliten gebe: eine, die die Wirtschaft privatisieren wolle und eine andere, die eine neue Sowjetunion wolle. Putin müsse neue Stärke beweisen, er habe von seinem Vorgänger Jelzin ein instabiles System übernommen. So setze man auf Marktwirtschaft mit immer stärkerer staatlicher Kontrolle. Jasin selbst gilt als einer der Wegbereiter der Marktwirtschaft in Russland. Aufgrund des gesunkenen Ölpreises und der wirtschaftlichen Sanktionen durch die Europäische Union und die USA geht es den Russen im Moment alles andere als gut. Putin hat versucht, sich mit Goldaufkäufen unabhängiger zu machen vom Dollarkurs. Von 2007 mit 400 Tonnen Gold hat das Land bis heute seine Goldvorräte mehr als verdreifacht auf 1275 Tonnen. Das sind mittlerweile die sechstgrößten Goldreserven weltweit. Was anfangs gutging – Putin verfiel wegen der Krimkrise in einen regelrechten Kaufrausch – wendet sich jetzt zum Debakel: der Preis für die Unze Gold ist auf den Stand von März 2010 eingebrochen; das waren wenikger als 1100 Dollar je Unze. Folge: der russische Goldschatz ist mit lediglich 45 Milliarden Dollar so niedrig wie im Herbst 2011. Auf den Punkt gebracht hat man sich in Russland mit 15 Milliarden Dollar verspekuliert, will heißen, den Ölpreisverfall und die westlichen Sanktionen mit einbezogen, ist die Situation untragbar. Die russische Ökonomie geht langsam in die Knie. Die Ausfuhr von Öl, Gas und Erzen machten vor den Sanktionen drei Viertel der russischen Wirtschaftskraft aus.

Nur aufgrund des Goldschatzes konnte sich Putin den wirtschaftlichen Konflikt mit dem Westen leisten. Weitere 200 Milliarden Dollar gingen in den letzten 15 Monaten durch Kapitalflucht ins Ausland verloren. Gerade die staatliche Kontrolle der Unternehmen veranlasst die Unternehmer, das Land zu verlassen und im Ausland zu investieren.

Ein Ausweg ist nicht in Sicht: eine Hinwendung zu China kommt nicht in Frage. Chinesische Qualitätsstandards entsprechen nicht den russischen Erwartungen. Also muss Putin weiter auf wirtschaftliche Beziehungen zum Westen setzen. Will er den wirtschaftlichen Streit aufrechterhalten, braucht Russland Kapital. Goldreserven müssten „versilbert“ werden. Und das gäbe der russischen Ökonomie den Gnadenstoß. Noch mehr Gold auf den Markt lässt dessen Preis weiter sinken.

Wir wollen hoffen, dass am Ende die Vernunft siegt!

© Thomas Dietsch

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