Venedig

Venezia … Wenn der Muezzin vom Turm zum Gebet ruft, zieht es den gläubigen Muslim in die Moschee. Auch in Venedig! Man glaubt es kaum, aber es ist Wahrheit. Zumindest für die sieben Monate der Biennale in Venedig wurde die seit 46 Jahren ungenutzte Kirche Santa Maria della Misericordia an einem Kanal im Stadtteil Cannaregio von einem Künstler angemietet und mit Hilfe islamischer Gemeinden zur ersten Moschee der Serenissima umgerüstet. Venedig hat eine große islamische Gemeinde von rund 20.000 Gläubigen. Dem Künstler Christoph Büchel ging es darum, ein Zeichen zu setzen. Und er möchte provozieren! Über Jahrhunderte war Venedig das Tor zum Orient, man tauschte Stoffe, Gewürze und auch Wissen mit Persern, Türken und Arabern. Mit dem Wohlstand kam auch die Bildung des Nahen Ostens nach Europa. Aber auch in einer weltoffenen Stadt wie Venedig gibt es Kritik, Anwohner gehen auf die Barrikaden, Touristen glotzen betende Muslime während der Besichtigung unverhohlen an. Die Anwohner wollen „ihre“ Kirche, welche seit 1973 in Privatbesitz ist, nicht hergeben. Dies, obwohl sie sie seit Jahrzehnten nicht nutzen. Man motzt auf die Anderen. Schleichende Islamisierung! Das ist der Begriff, der auch in Deutschland die Gemüter erregt und der nun Venedig in Aufruhr versetzt. Gerade hierauf kommt es dem verantwortlichen Künstler an: Er will, dass sich Christen und Muslime austauschen, Barrieren abbauen. Fremdes und Ungewohntes führt zu Ablehnung, Ablehnung führt zu Hass. Und Hass führt zu Gewalt und Krieg. Zeit etwas zu ändern! Büchel will den Dialog der Religionen. Aber er stößt auf harte Opposition. Jetzt erhebt auch die katholische Kirche ihre Stimme. Für jede Nutzung außerhalb des katholischen Kultes müsse eine Genehmigung erteilt werden, erklären die Kirchenoberhäupter. Diese sei aber nie beantragt worden. Laut Kirche muss ein sakraler Ort erst amtlich entweiht werden, um diesen einer profanen Nutzung zuzuführen. Bürokraten vor Ort fordern einen Nachweis über die amtliche Entweihung. Die Stadt Venedig stellt ein Ultimatum: Wenn bis 20. Mai keine entsprechenden Nachweise vorlägen, werde die Moschee geschlossen.
Wenn man bedenkt, wie viele Kirchen in Europa leerstehen, früher als Pferdestall und Lazarett, heute als Restaurant, Autowerkstatt oder Kunsthalle genutzt werden, dann liegt eine religiöse Nutzung doch am nächsten. Leider gilt vorliegend der Grundsatz: „Wir nutzen es zwar nicht, aber …“. Irgendwie schade!
Altpräsident Wulff sagte vor einigen Jahren in einer Rede, der Islam gehöre zu Deutschland. Auch er musste harte Kritik einstecken.
Es wird Zeit, dass wir uns den Realitäten stellen!

 

© Thomas Dietsch

 

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