Liebe Petra,
die Narren und die Schalke haben die Straßen im Rheinland besetzt. Im Fernsehen werden zahlreiche Sitzungen ausgestrahlt, für mich oft peinliche Einlagen einer aufgesetzten Fröhlichkeit. Das Volk soll mit Hilfe des Alkohols benebelt werden. Wenn die Scheiße am Dampfen ist, ist nicht Lachen die beste Medizin? Bei der großen Pest hat man auch Karneval gefeiert, reichlich viel gevögelt und das um die bösen Geister zu jagen. Dass sich dabei zahlreiche gesunde Leute ansteckten ist nur ein Detail der Geschichte. Wichtig war es, der Illusion nachzugehen, dass das Leben nicht so leicht zu ersticken ist. Der Alltag mit seinen schrecklichen Nachrichten soll im Rausch weg gepustet werden, scheint die Devise zu sein. Die Ängste in Schach zu halten ist letztendlich die einzige Möglichkeit, die uns verbleibt, um noch an eine Zukunft zu glauben. Wenn das wilde Treiben uns dazu verleiht einen Funken Hoffnung zu erwecken, werde ich mir eine rote Pappnase kaufen und durch die Gassen geistern auf der Suche nach knackigen Pos und Titten. Kann die große institutionelle Ausgelassenheit mir dazu verhelfen die Finsternis in ein sonniges Paradies zu verwandeln? Großes Kino, um uns zu blenden? Aber keine Angst, die düstere Wirklichkeit holt uns immer wieder ein.
Wenn ich das Geschehen beobachte, fühle ich mich immer mehr mit Humorlosigkeit konfrontiert. Zahlreiche schwarz gekleidete Gestalten, die glauben, dass das Geißeln der Gefühle, die Pforten zum Himmel öffnen kann. Eine neue Ordnung, die sich nur durch Gewalt ausdrücken soll. Eine Weltanschauung, die Gottes-Fanatiker jeder Gattung verfolgen und die uns durch den Gebrauch von Waffen erzwingen wollen – und dies um uns das Glück der Seligkeit beizubringen! Da ziehe ich einen Rosenmontag vor, weil er nicht erzwungen ist. Die Klempner der Seelen würde ich am liebsten in die Wüste schicken, die zahlreiche Pharisäer, die es „gut mit mir meinen“ sind eine Zumutung. Ich habe diese Moralapostel satt, die nur ein Ziel verfolgen, das der Macht, der Nötigung, der Fesselung! Die Religionen zeigen hier ihr wahres Gesicht. Der Beweis, dass eine Ideologie nicht tolerant sein kann, dass sie Ausgrenzungen verursacht mit allen schrecklichen Konsequenzen, die zur Hexenverbrennungen geführt haben – und das im Namen des Glaubens!
Liebe Petra, als gläubiger Mensch fällt es mir schwer diese Zeilen zu schreiben, aber ich habe mehr oder weniger das Gefühl, dass die Menschheit kläglich gescheitert ist. Wenn von Nächstenliebe die Rede ist, suche ich sie oft vergeblich. Nur in meinem unmittelbaren Lebenskreis ist sie manchmal vorhanden, aber der Funke überträgt sich nicht auf die Gesellschaft. Die Ereignisse der letzten Tage beweisen uns das.. und jetzt ab in das wilden Treiben. Alaaf!
In diesem Sinn,
Pierre
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