Seit 05.07.2015 ist es amtlich: die Mehrheit der Griechen hat in der Volksbefragung der Spardoktrin der Geldgeber eine Absage erteilt. Ab heute wird nicht mehr gespart, man will Geld ausgeben! Eigentlich ein Erfolg von Ministerpräsident Tsipras und seinem Finanzminister Varoufakis. Ein fadenscheiniger Erfolg! Abstimmungen des Volkes über finanzpolitische Themen sieht die Verfassung Griechenlands nicht vor. Das Referendum ist somit verfassungswidrig und nicht das Papier wert, auf dem es steht. „Nein“ heißt aber auch nicht nur Geld ausgeben können … Man muss es auch haben. Und das ist das faktische Problem: Man kann nichts ausgeben, was man nicht hat! Tsipras kann nicht ernstlich davon ausgehen, dass die Europäische Zentralbank nach dem Referendum die griechischen Banken munter weiter mit Euromünzen und -scheinen versorgt ohne gewisse Sicherheiten zu haben. Und schlussendlich: die griechischen Bürger und Bürgerinnen stimmten über einen Vorschlag der Geldgeber ab, welcher am 30.06.2015 auslief, also gar nicht mehr am 05.07.2015 aktuell war. Also: was soll das Ganze?! Man hat mit der Faust auf den Tisch gehauen, es dem Rest Europas mal so richtig gezeigt. Geldgeber und Verhandlungspartner wurden als „Terroristen“ bezeichnet, Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble, welche sich stets für den Verbleib Griechenlands im Euro stark machten beleidigt, indem man sie mit Naziverbrechern verglich. Das ist jenseits jeglicher staatspolitischer Kinderstube! Undankbare Griechen? Jein! Politischer Anstand muss gewahrt werden, da ist man sich einig. Aber wir haben hier ein kennzeichnendes Beispiel von Demagogie erlebt, welches in der Moderne seinesgleichen sucht. Das Referendum wurde auf die Schnelle zusammengepfuscht, mit Allgemeinplätzchen belegt. Niemand nahm sich die Zeit, das Volk aufzuklären, wie die Abstimmung konkret abläuft und was die Konsequenzen der Abstimmung mit „Ja“ oder „Nein“ sind. Man arbeitete auf der Gefühlsebene. Man gehe unter, aber jetzt gehe man „mit Würde“ unter. Toller Spruch, für welchen sich eine arbeitslose Mutter ohne Krankenversicherung aber nichts kaufen kann. Bei einer Gesamtarbeitslosenquote im März diesen Jahres von 25,6 Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit im Mai von rund 50 Prozent sollte man sich solche Sprüche sparen und der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, eine Perspektive geben. Die Syriza hätte gut daran getan, Investitionen zu tätigen, das von EZB und IWF überlassene Geld zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu nutzen. Das hätte in dem halben Jahr Regierungszeit zwar noch keinen durchschlagenden Erfolg gebracht, wäre aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gewesen. Jahrzehntelange Vetternwirtschaft und Korruption lässt sich nicht von heute auf morgen beseitigen, aber man hätte den Geldgebern beweisen können, dass man das Geld richtig „angelegt“ hat. Überzeugte Gläubiger hätten mehr Geduld bewiesen. Flankiert mit dem Abbau von Bürokratie und unnötigen Beamtenjobs wäre durchaus ein tragfähiges Sanierungsprogramm zustande gekommen.
Herr Varoufakis hat seinen Rücktritt erklärt. Der Ökonomieprofessor – ja, das ist das Paradoxe an der Geschichte – zieht die Konsequenzen. Angeblich hätten die Vertreter der restlichen 18 Mitglieder der Eurozone ihm nahegelegt, es sei besser, er sei bei den nächsten Verhandlungen nicht mehr anwesend und sein Ministerpräsident dies für förderlich gehalten. In Wirklichkeit dürfte Herr Varoufakis wohl erkannt haben, dass ein Staatsbankrott unter der Ägide der Syriza stattfand. Dies hat die Öffentlichkeit bis heute noch nicht so richtig realisiert. Man wird Schuldige suchen und auch finden. Das ist zum einen ein Ministerpräsident, zum anderen dessen Finanzminister. Beide werden sagen, dass sie sich die Zustimmung des Volkes geholt haben. Man habe es so gewollt, also sein das Volk auch schuld. So ist es in der Vergangenheit immer gelaufen: die Regierung pfuscht, das Volk leidet. Und die Konsequenz ist die staatliche Insolvenz Griechenlands. Ob mit oder ohne Würde spielt keine Rolle.
© Thomas Dietsch