Lieber Pierre,
wir sind schon fast bei einer philosophischen Betrachtung angekommen, jedenfalls möchte ich es auf diese Art beantworten oder versuchen, den viel gelobten und erwünschten Begriff „Freiheit“ zu definieren. Vorab: der Mensch kämpfte ein Leben lang für eine Selbstbestimmung, für die Freiheit und für die freie Meinungsäußerung. Wir dürfen uns in unserem Land glücklich schätzen, dass wir offen und ungeschönt schreiben, berichten und reden dürfen. Das ist nicht überall auf der Welt möglich und das einmal vorweg, weil es wichtig ist, auch diese Freiheit anzuerkennen. Ob wir nun eine Zensur der Medien, der Presse und des Menschen haben, das können wir in einem der nächsten Briefe zum Thema nehmen – es würde heute den Rahmen sprengen.
Folgen wir der Definition des Determinismus, dann gehen wir davon aus, dass die Dinge, Handlungen, Ereignisse durch bereits existierende Vorbedingungen von vorne herein eingeschränkt sind und deshalb nicht wirklich frei sein können. Die Theorie des Kompatibilismus wäre die weichere Form und sieht eine Schnittstelle zwischen Determinismus und freiem Willen. Eine zahmere Variante also, lieber Pierre. Es gibt auch die pessimistische Version, die besagt, dass weder Determinismus noch Interdeterminismus einen freien Willen zulassen. Und nun sind wir bei den Definitionen und der philosophischen Betrachtung, denn dieses Thema kann nicht in einem kurzen Briefverkehr abgehandelt werden, dazu ist es zu komplex und – wie du siehst – durchaus Ansichtssache.
Es geht um zwei Dinge, lieber Pierre: 1) Welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit wir eine Entscheidung als frei empfinden würden und 2) faktisch –sind diese Bedingungen überhaupt vorhanden und stehen zur Auswahl? Wer glaubt, dass wir niemals frei entscheiden können, wäre – philosophisch betrachtet – ein Freiheitspessimist oder ein harter Determinist eben. Wie wir unser Leben empfinden und wieviel Freiheit wir uns nehmen können, liegt an den Alternativen, an der Wahl jedes Einzelnen und dass eine Zwangsbedingung unbedingt ausgeschlossen ist.
Lieber Pierre, ich denke, wir brauchen die vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten auch, um das als Maß zur Orientierung zu haben. Das gibt uns Menschen eine gewisse Stabilität und dennoch das Gefühl, frei entscheiden zu können. Und doch hat das Leben Barrieren und uns sind die Hände gebunden, wir empfinden uns als unfrei. Dabei müssen wir uns die Frage stellen, ob das wirklich stimmt oder ob uns nur die Auswahlmöglichkeiten nicht in den Kram passen oder nicht kompatibel mit den Vorstellungen jedes Einzelnen sind. Was der Eine gut findet, verabscheut der andere und umgekehrt. Insofern ist auch das Auslegungssache und ich kann nichts damit anfangen, wenn Menschen pauschal negieren und ablehnen –ohne eine sinnvolle Alternative aufzuzeigen oder ohne einen anderen Weg zu suchen, der nicht immer, aber durchaus öfters als angenommen, gehbar wäre.
Tatsache ist, dass unser gesamtes Leben ein Kreislauf des Kommen, Seins und Gehens ist und keine Theorie der großen Philosophen oder sonst jemand kann das ändern bzw. aufhalten. Geburt, Leben, Vermehrung, Tod. So ist es, lieber Pierre und niemand hat die Freiheit, sich ein ewiges Leben zu wünschen und niemand hat die Freiheit, die Luft zum Atmen für sich alleine zu beanspruchen. Und auf einer Welt, in der Lebensraum, Frieden, Umwelt immer weniger geachtet werden, schrumpft auch die Freiheit auf eine Entfaltung, sowohl der Menschen-, als auch der Tier- und Pflanzenwelt.

 

© Petra M. Jansen

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