Hoffnung lag in der Luft, ganz ähnlich wie während der Präsidentschaftswahl 2008 (“Yes, we can!”), als die Möglichkeit der Wahl von Barack Obama einen neuen Kurs für das Land versprach. Amerika ist im Juni 1968 zutiefst zerrissen, es scheint, als würde das Land im Chaos versinken. Robert F. Kennedy scheint in dieser Lage der einzige, der die Menschen in den USA einander wieder näher bringen kann.

In den Monaten vor der Vorwahl in Kalifornien waren der Zorn und die Frustration auf den Straßen Amerikas eskaliert. Die wachsende Protestbewegung gegen den Vietnam-Krieg geriet in immer härtere Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt. Nach der Ermordung von Martin Luther King im April waren in Dutzenden von Städten Unruhen ausgebrochen. Die schwarze Bürgerrechtsbewegung radikalisierte sich. Ein versöhnlicher Weg in die respektvolle Koexistenz, wie King ihn gepredigt hatte, schien unmöglich. Bei einer Schießerei mit der Polizei in Oakland war im April Bobby Hutton, einer der Anführer der Black Panther Partei, umgekommen.

Wie schon während seines gesamten Wahlkampfes, findet Kennedy in diesem Augenblick genau jene Worte, nach denen sich die Menschen sehnen: „Wir können das überwinden, was unser Land in den vergangenen Jahren geplagt hat, die Spaltung, die Gewalt, die Desillusionierung. Wir können es schaffen, zusammen zu kommen, wir sind ein Volk, das mitfühlen kann, und ich werde diese Fähigkeit zum Mitgefühl wieder zur Grundlage unserer Gesellschaft machen“, so Kennedy.

Kur nach dem Ende der Rede hallen Schüsse durch die Hotelgänge des Ambassador, die Bobby Kennedy töten. In der Küche, die Kennedy durchquert, um diskret zum Hinterausgang zu gelangen, wartet der Palästinenser Sirhan Sirhan auf Kennedy – und feuert aus nächster Nähe acht Schüsse ab.

Kennedy wird noch in der Nacht nach New York geflogen, wo er 24 Stunden später seinen Verletzungen erliegt. Als am 8. Juni sein Sarg mit dem Zug auf den Nationalfriedhof Arlington in Washington überführt wird, kommen Hunderttausende von Menschen an die Gleise, um Abschied zu nehmen. Die Trauer eint die Nation – vielleicht zum letzten Mal. Es ist eine tiefe Trauer nicht nur um einen Mann, sondern vor allem auch um die Hoffnung einer gesellschaftlichen Versöhnung.

Die Menschen hatten Robert Kennedy vertraut. Kennedy habe den Nimbus der Authentizität gehabt, schrieb einmal einer seiner Biografen. Es sei eine Authentizität, die nicht aus Fokus-Gruppen und Sitzungen mit PR-Beratern entstanden sei, sondern aus Lebenserfahrung.

Robert Kennedy hatte vor den Augen des ganzen Landes eine dramatische Transformation durch den Tod seines Bruders erfahren. Als Wahlkampfchef von John F. Kennedy, später auch als Justizminister, war Robert Kennedy ein kühl kalkulierender Politiker gewesen, ein mit allen Wassern gewaschener Drahtzieher. Doch John F. Kennedys Ermordung im Jahr 1963 veränderte ihn von Grund auf.

Als überzeugter kalter Krieger hatte Robert Kennedy den Krieg in Vietnam, den sein Bruder angezettelt hatte, zunächst unterstützt. Je offensichtlicher zynisch der Krieg wurde, desto offener trat Kennedy jedoch in Opposition zu Präsident Johnson und setzte sich für einen raschen Abzug aus Vietnam und für eine diplomatische Lösung ein. Das Sterben in Vietnam müsse aufhören, hatte er immer wieder betont.

Vor allem aber wurde sein Kampf für die Entrechteten des Landes immer bedingungsloser. Als Justizminister hatte Kennedy noch zwischen Interessen laviert und nicht zuletzt auch der Überwachung von Martin Luther King zugestimmt. Nach dem Tod seines Bruders, so schien es, wurde ihm jegliches Kalkül egal, er tat nur noch, was ihm sein Gewissen diktierte.

Die Morde an King und Kennedy haben Amerika auf lange Zeit hin verflucht. Sie haben es erschüttert und geteilt. Die USA sind seither ein Land, dass es einfach nicht schafft, seinen Möglichkeiten gerecht zu werden. Das Gespenst dessen, was hätte sein können, sucht Amerika 50 Jahre nach Kennedys Tod so schrecklich heim wie damals. Der Verlust seiner Ikonen hat die Vereinigten Staaten weit zurückgeworfen, ihnen einen gehörigen Teil ihrer Zukunft geraubt. Barack Obama hatte vierzig Jahre danach dem Land wieder ein Stück Zuversicht zurückgegeben. Zukunftsaussichten, die Amerika dringender denn je braucht.

Vom amerikanischen Bürgerkrieg abgesehen, werden in den USA über kein Thema so viele Bücher und Artikel veröffentlicht wie über Kennedy, der allein mit dem Satz „Fragt nicht, was Euer Land für euch tun kann, sondern fragt, was Ihr für euer Land tun könnt“ zum Helden der 1960er geworden war. Ohne ihn, so geht das Märchen weiter, wäre der Vietnamkrieg nicht eskaliert, hätten nicht Zehntausende junge Männer das Leben lassen müssen, wäre eine echte Sozialrevolution und die Gleichberechtigung für die Schwarzen gekommen. Um kaum ein Thema ranken sich mehr Verschwörungstheorien als um das Attentat auf John F. Kennedy. Das liegt vor allem daran, dass zigtausende Akten seit Jahrzehnten unter Verschluss gehalten werden.

Das könnte sich bald ändern: US-Präsident Trump hat nun angekündigt, die Geheimhaltungsfrist für rund 3.000 unter Verschluss gehaltene Dokumente nicht verlängern zu wollen. „Vorbehaltlich des Erhalts weiterer Informationen werde ich als Präsident erlauben, die lange Zeit verschlossenen und als geheim eingestuften JFK-Akten freizugeben“, schrieb der POTUS auf Twitter.

Für Historiker wären die Akten enorm wertvoll, denn sie umfassen tausende Regierungsdokumente zum Attentat auf John F. Kennedy in Dallas vor knapp 54 Jahren. Viele Dokumente wurden bislang nur mit Schwärzungen herausgegeben.

Das befeuerte wiederum Verschwörungstheoretiker, die nicht glauben, dass Lee Harvey Oswald den Präsidenten allein erschossen haben soll. Stattdessen sollen die Sowjets, Kuba, das Militär oder gar die CIA dahinterstecken. Trump selbst brachte im Präsidentschafts-Wahlkampf sogar den Vater seines republikanischen Rivalen Ted Cruz mit dem Kennedy-Mord in Verbindung.

Überraschend kommt die Freigabe durch Donald Trump allerdings nicht: Nachdem der Regisseur Oliver Stone im Jahr 1991 seinen Film „JFK“ veröffentlichte, flammte die Diskussion um die Hintergründe des Attentats wieder auf. Kurz darauf verfügte ein Gericht, dass Millionen Dokumente freigegeben werden mussten. Einige fielen unter eine 25-jährige Geheimhaltungsfrist, diese läuft zum 26. Oktober diesen Jahres aus.

Ein Onlineportal berichtet, dass der Geheimdienst CIA die Dokumente weiter unter Verschluss halten möchte, um noch lebende Mitarbeiter oder Informanten nicht zu gefährden (Politico).

Experten erwarten, dass die Dokumente keine großen Überraschungen enthalten. Womöglich werden aber einige noch offene Fragen geklärt, etwa warum die CIA Oswald im Vorfeld überwachte und ob es Vertuschungsversuche gab.

Niemand hat die amerikanische Legende um John F. Kennedy schöner erzählt als Oliver Stone 1991 in „JFK – Tatort Dallas“. Der Film ist ein verschwörungstheoretisches Machwerk, zeigt ein Intrigennetz finsterer Mächte von der Rüstungsindustrie bis Moskau, und Kennedy ist der strahlende Held, mit dem alles Unheil, das nach ihm kam, ausgeblieben wäre. Sachlichkeit und nackte Fakten – soweit bekannt – sind nicht der Stoff, aus dem Filme gemacht werden.

Ein Jahr lang hatte sich die von Kennedys Nachfolger eingesetzte Warren-Kommission, der unter anderem der spätere Präsident Gerald Ford angehörte, um die Aufklärung des Mordes bemüht. Wer ist es gwesen? Einer musste es sein: Oswald, wenn auch keineswegs alles aufgeklärt wurde. In den letzten fünfzig Jahren sind kaum neue Erkenntnisse gewonnen worden. Gegen jede Wahrscheinlichkeit ist Oswald diese Tat gelungen, von der vor Kurzem auch der Attentäter von Las Vegas geträumt zu haben scheint.

Bislang wurde ein Teil der Kennedy-Dokumente im Nationalarchiv der Vereinigten Staaten (National Archives and Records Administration) streng unter Verschluss gehalten. Wie auf der Archiv-Seite bekannt gegeben wird, wurden seit Ende der 1990er Jahre bereits 88 Prozent der Akten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die nun veröffentlichten restlichen Dokumente umfassen 3.810 Schriftstücke. 441 davon wurden bislang noch nie veröffentlicht, 3.369 bisher nur teilweise.

Wer will schon die Wahrheit wissen? Wer will hören, dass Kennedy keineswegs der Sieger in der Kubakrise war, sondern dass die sowjetischen Raketen nur um den Preis abgezogen wurden, dass die amerikanischen aus der Türkei verschwanden? Dass der Mann, der 1962 vor dem Schöneberger Rathaus mit dem Satz „Ich bin ain Bärlina“ die Herzen der Deutschen gewann, im Jahr zuvor stillschweigend dem Bau der Mauer zugestimmt hatte?

Vielleicht kommt mehr Licht ins Dunkel der Angelegenheit. Eventuell stirbt ein Märchen, finden Verschwörungstheorien ihr Ende.

Trotz allem bleibt eine Tatsache: Ein Mann wurde an diesem 22. November 1963 erschossen. Und das war Mord!

schossen. Und das war Mord!

Befragt man junge Amerikaner, dann frappiert die Ahnungslosigkeit über Basics der jüngeren Geschichte. Doofe Amerikaner?! Wohl denn … Vor ein paar Jahren ließ das Magazin „Newsweek“ 1.000 Amerikaner, die als Wähler registriert waren, jenen Test machen, den in den Vereinigten Staaten jeder Neueinwanderer absolvieren muss.

Das Resultat: Ein Drittel der Befragten kannte den Namen des Vizepräsidenten nicht. Die Hälfte hatte keine Ahnung, dass die ersten zehn Zusatzartikel zur Verfassung als „Bill of Rights“, als Grundrechtekatalog, bezeichnet werden. Und nur ein Drittel wusste überhaupt, dass es sich bei der amerikanischen Verfassung um das höchste Gesetz der Vereinigten Staaten handelt.

Aber es ist ja nicht nur so, dass viele Amerikaner den Namen John F. Kennedy nicht kennen und überdies keine Ahnung haben, in welchem Jahrhundert Ulysses S. Grant die Unionsarmee befehligte.

Die Gründungsväter Amerikas wussten, dass gute Schulen die Voraussetzung sind, damit das Experiment „demokratische Republik“ auf längere Sicht eine Chance hat.

Thomas Jefferson glaubte, dass die „nützlichsten Tatsachen der griechischen, römischen, europäischen und amerikanischen Geschichte“ fest im Gedächtnis der Kinder verankert werden müssten. Das ist heute nicht mehr der Fall.

Sind wir zu Amerika-Bashing berechtigt? Mitnichten! Auch bei den Deutschen herrscht akuter Bildungsnotstand. „Wer aus Geschichte nichts lernt, riskiert die Demokratie“ (Axel Springer). Welch Ironie, kommt diese Mahnung doch von jemandem, der getrost als absoluter Monarch betrachtet werden darf.

Die Feststellung selbst ist natürlich richtig. Wer aus Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen – dieses Diktum besitzt wohl allzeitige Gültigkeit. Und weil dem so ist und gerade im Hause Springer die historische Lernkurve nachweislich sogar noch flacher verläuft als Häschenwitze, darf man sich über diverse Wiederholungen eigentlich längst überwunden geglaubter Dummheiten nicht wundern: So gibt man sich in diesem zwielichtigen Milieu zum Beispiel schon seit geraumer Zeit alle Mühe, an einem weiteren Alleinschuldmythos zu stricken – nämlich dem russischen, demzufolge Moskau ganz alleine für die Situation in Syrien und der Ukraine verantwortlich zeichnen soll, was umso verwunderlicher erscheinen muss, da die bei Springer in solchen Angelegenheiten liebevoll gepflegten Bildungsnotstände von der vor lauter Amerikahass stets schäumenden Restwelt – also allem, was direkt vor der Eingangstür zum Redaktionsgebäude beginnt – eigentlich längst behoben wurden.

Die Tatsache beispielsweise, dass es sich in Syrien keineswegs um einen „Bürgerkrieg“ handelt, sondern um einen von außen ins Land getragenen, wertegemeinschaftlich vorgeglühten und im weiteren Verlauf emsig geschürten. Schon seit mehreren Jahren wird nicht nur in der ausländischen, zum Beispiel der britischen und französischen Presse, sondern sogar in der amerikanischen selbst über die Hintergründe diverser vermeintlich „nicht-staatlicher“, „unabhängiger“ Castingterrorgruppen diskutiert. Offensichtlich ist man nirgendwo mehr sicher. Überall lauern Verschwörer, um die amerikanische Weltordnung zu zersetzen. McCarthy sieht hier aus wie ein Anfänger. Im Kongress und Repräsentantenhaus gab es zu den hochinteressanten finanziellen und waffenlogistischen Versorgungskanälen nicht nur in Syrien tätiger humanitärer Schießbudenfiguren zahlreiche Anhörungen.

Das gilt nicht weniger für den Irakkrieg, den als illegale Invasion, als zudem auf nichts als erlogenen „Beweisen“ basierenden Angriffskrieg zu bezeichnen sich mittlerweile noch nicht mal mehr Mainstream-Historiker scheuen.

Dieselben Lücken klaffen seit Jahren in den Berichten aus Afghanistan vor sich hin. Der Philosoph Peter Sloterdijk hatte recht, als er sagte, der „Lügenäther“ sei „so dicht wie seit den Tagen des Kalten Krieges nicht mehr“. Mithin darf man doch sicher fragen, aus welchem Hut ausgerechnet Geschichtsabstinenzler eines Blättchens, das nun schon seit Jahren den Lesern unablässig eine gepflegte, dezidiert lernbewusste Kriegsstimmung gen Russland einzutrommeln versucht, sich das Recht herzaubern, anderen diesbezüglich Wissenslücken vorzuwerfen.

Ehemalige Schwänzer des Geschichtsunterrichts sollten für dieses Fach lieber keine Lehrpläne aufstellen.