Islamischer Staat
Der „Islamische Staat“ ist kein Staat im staats- oder völkerrechtlichen Sinne. Ein Staat kennzeichnet sich durch Staatsgebiet, Staatsgewalt und Staatsvolk. So die Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek.
Eine Staatsgewalt im Sinne einer Führung mag rudimentär vorhanden sein. Einen ausgebauten Verwaltungsapparat gibt es nicht. Auch an einem Staatsgebiet mangelt es. Der IS hält einige dünn besiedelte Wüstenregionen im Osten Syriens und im Westen des Iraks, wie der Spiegel zu berichten weiß. Faktisch leben dort Menschen, die aktuellen, tatsächlichen Grenzen sind völkerrechtlich nicht anerkannt und werden dies auch in Zukunft nicht werden. Ein Staatsvolk gibt es nicht. Die Staatsbürgerschaft „Islamischer Staat“ oder wie auch immer sucht man vergeblich. Die in vorgenannten Gebieten lebenden Einheimischen sind nach wie vor irakische beziehungsweise syrische Staatsbürger. Der IS braucht also Bürger!
Laut Spiegel Online arbeitet man seitens der Miliz daran. Im besetzten Teil Syriens versucht man, mögliche Bürger unter dem Motto „Flitterwochen im Kalifat“ in die Region zu locken. Man bietet Sex und Geld. Die Kämpfer des IS haben aus militärischen Gründen kaum Zeit, sich eine Braut zu suchen. Auch fehlt ihnen das Geld für die Mitgift, viele sind bettelarm. Und der Region fehlt es an heiratswilligen Frauen. Mit Versuchungen à la „Tausend und eine Nacht“ sollen intelligente junge Frauen, gegebenenfalls mit entsprechender Bildung, ins Kalifat gelockt werden. Geht es nicht freiwillig, werden die Frauen versklavt. Der IS braucht Nachwuchs! Und das lässt er sich etwas kosten. So wurde die Hochzeit eines 28-jährigen Milizionärs mit einer 24-jährigen Tunesierin gesponsert. Flitterwochen in Rakka, Spaziergänge am Euphrat. Hiernach war die Ehefrau schwanger und der Kämpfer musste wieder an die Front. Nach letzten Berichten ist er noch am Leben.
Die Versorgung der Kämpfer und deren Familien ist nach wie vor schlecht. Indem man die Kriegsbeute an die Milizionäre verteilt versucht man, diese bei Laune zu halten. Unter anderem leben IS-Kader in Villen, die einst Angehörigen des syrischen Regimes gehörten. Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins Siegel Online erhält ein Soldat der Miliz eine monatliches Salaire von umgerechnet 50,– Dollar. Die Ehefrau zu Hause eine ähnliche Summe.
Es ist mager, was nach den Flitterwochen bleibt. Wer einen Staat aufbauen will, braucht Männer und Frauen für die Gründung und den Erhalt des Staatsvolkes. Zudem, in den von dem IS gehaltenen Gebieten herrscht Armut und entsprechend schlechte Bildung, muss man mit den Neubürgern auch Know-How und berufliche Qualifikation importieren. Bildung kostet, und das Geld hierfür hat der Islamische Staat nicht. Als Miliz ist die Gruppierung eine der reichsten, vielleicht die reichste der Welt. Als Staat wäre sie schlichtweg arm. Ein Steuersystem fehlt völlig, Geld wird über Kriegsbeute und Kriminalität – wie Zwangsprostitution und Drogenhandel – beschafft.
Bringen wir es auf einen Nenner: Einen Islamischen Staat im eigentlichen Sinne gibt es nicht.
Das Ziel, einen von weltlichen Einflüssen freien Gottesstaat zu gründen, dürfte unerreichbar sein. Schon in der Gründungsphase bedient man sich profaner, krimineller Mittel wie Prostitution, Mord, Drogenhandel und Zerstörung von Kulturdenkmälern.
© Thomas Dietsch