Lieber Pierre,

weißt du, dass ein Luftballon platzt, wenn er immer mehr aufgeblasen wird? Peng!!! Raus aus deutschen Landen also mit der Kohle, sofern man sie besitzt und weg mit den maroden Papieren, es regiert das GOLD! Barren für Barren echte Qualität.

Wer langsam gegart wird, merkt vielleicht gar nicht, dass er schon kocht? Könnte es nicht sein, dass man es erst bemerkt, wenn alle rot angelaufen sind? Und wie war das mit dem Grundgesetz? „Kraft zum Wohle des Volkes, Schaden von ihm abwenden“ u.s.w.? Herrje, ich hab´s glatt vergessen: die hier in Frankfurt sind ja selbstbestimmend. Wer also heute noch Aussicht auf (Mindest-)Rente hat oder ein wenig Vermögensansparung sollte schleunigst die Kurve kratzen. Es trifft leider sowieso den armen Mann, den Kleinstanleger oder die Omi, die es gerade noch schafft, ihre Rezeptgebühren zu bezahlen und noch etwas für die Enkel übrig zu haben. Aber lieber Pierre, ich drifte ab…

Und wenn das alles umgesetzt wird, kann ich kaum noch beruhigt in die südlichen Länder fahren oder einen Kurztrip nach Südfrankreich machen. Überhaupt ist es dann irgendwie anders in Europa. Was sind denn eigentlich unsere „paar Schulden“ im Vergleich zu den Amis? Die haben erheblich mehr als wir und Schulden zahlt ja sowieso niemand zurück. Kohle weg? Schulden? Egal, da pumpt die EZB mal rasch ein wenig Zahlungsmittel in den Finanzmarkt und die Rechnung sollte aufgehen. Auf der einen Seite Wirtschaftskredite vereinfachen, Wirtschaft ankurbeln, auf der anderen Seite ein unglaublich schwacher Euro. Wäre es vermessen, wenn ich naiv frage, ob die denn beim Studium alle gepennt haben? Damals gab es die Langzeitstudenten, du erinnerst dich, Pierre?

Was soll ich als Pleitegeier-Bürger sagen? Ich denke, du hast vollkommen Recht mit den Kindern. Zuerst wollte ich meinen das Sparen beibringen (Weltspartag und Co.), dann wollte ich sie für den Geldwert sensibilisieren, frei nach dem Motto „streng dich an, schaff was, dann kannst du dein Taschengeld aufbessern“. Danach versuchte ich es mit Anlagen für das spätere Studium in Form von Aktienfonds. Davon ist leider nicht viel übrig geblieben im Laufe der Jahre und jetzt – wo sie es gebrauchen könnten – ist nichts mehr da. Ging alles für den Führerschein drauf, der heute um die 1.500 bis 2.000 Euro kostet. Jetzt sage ich ihnen, sie sollen die Preise vergleichen, Wert und Nutzen gegenüberstellen und verdammt gutes Englisch lernen. Sie werden es in dieser Welt gebrauchen können.

Ach, beinahe hätte ich es vergessen, lieber Pierre: Ich fuhr heute an der EZB vorbei. Es sah alles gut aus dort, schöne Autos, Lotuseffekt-Fenster, alles prima. Ich schämte mich fast, meine 20Jahre alte Kiste mit desolatem Verdeck daneben zu parken. So kann´s gehen in der Main-Metropole Frankfurt, in der Obdachlosigkeit mit der Geld-Regierung Tür an Tür leben und sich die „Entscheider“ im Hochhaus mit Mainblick schwer zu verstehende Dinge einfallen lassen, um die Wirtschaft und Finanzmärkte ins Lot zu bringen. Erst gesund schrumpfen, dann aufblasen und peng! Bei mir ist nichts im Lot und ich denke ab und an daran, wie ich später meine spärlichen Scheine und Münzen irgendwo in Asien oder in der Türkei „verprasse“…

 

Herzlichst,

Petra

 

© Petra M. Jansen

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Liebe Petra,

heute kreisen meine Gedanken um die Kohle. Wie du weißt, verfolge ich mit Interesse was sich auf dem Finanzmarkt so abspielt. Die Initiativen von Mario Draghi, der Boss der EZB, finde ich in der Sache richtig. Heute muss alles unternommen werden um der Wirtschaft neue Vitamine zu verpassen. Der Ankauf von Staatsanleihen soll frisches Geld generieren, 60 Milliarden pro Monat sollen frei gestellt werden, um die Maschine wieder anzukurbeln. Schön und gut, wenn die Unternehmen etwas davon sehen! Zu oft haben aber die Banker für ihre eigenen Zwecke spekuliert und damit dem Volk geschadet und jetzt haben wir die Bescherung. Die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone ist unerträglich, ganze Generationen werden einfach geopfert, weil es keine Zukunft mehr gibt. Immer mehr Bürger folgen dem Rattenfänger von Hameln und lassen sich von populistischen Parolen einfangen – Ausgrenzung und Intoleranz sind die Folgen. Wir haben in der kleine Gemeinde von Tröglitz in Sachsen-Anhalt gesehen, wohin es führen kann. Markus Nierth, der Bürgermeister, ist zurückgetreten, weil er sich von Anhängern der NPD persönlich bedroht fühlte und das, weil er Asylanten einen Dach über den Kopf geben wollte. Es ist niederschmetternd so etwas erleben zu müssen.

Liebe Petra, du wirst dir sicher die Frage stellen, welchen Zusammenhang solch ein Vorkommnis mit der EZB haben kann? Was sich in Frankfurt abspielt, bedeutet eine drastische Schwächung der Politik und letztendlich auch der Demokratie. So sinnvoll die Entscheidungen von Mario Draghi auch sind, er nimmt sie sozusagen im Alleingang. Das System ist so aufgebaut, dass sich die Regierungen, was unsere Geldpolitik angeht, weitgehend zurückhalten müssen und das verleiht solch einer Organisation eine riesige Macht. Hinzu kommt, dass die europäischen Banker nicht vom Volk gewählt worden sind. Fazit: wir haben nichts zu melden! Was ökonomisch vernünftig ist – Entscheidungen müssen getroffen werden – ist politisch fraglich und langfristig wird eine Entfremdung entstehen, die zum Bruch der EU führen kann. Der Mob, wie in Tröglitz, wird immer mehr Hass verstreuen, weil unsere demokratischen Regeln an ihnen vorbei gehen und das von ganz oben. Die Politik sollte sich besinnen, was sich hier abspielt und Korrekturen vornehmen. Es gibt keinen Zweifel: die europäischen Institutionen müssen neu definiert werden. Ohne Zustimmung des Volkes wird alles runter gespült werden. Wollen wir das?

Was können wir dazu beitragen? In unseren letzten Briefen waren die Kinder im Mittelpunkt und auch hier sollten sie das sein. In der Familie sollten die Entscheidungen gemeinsam besprochen werden, denn nur in diesem Rahmen kann Demokratie von Grund auf erklärt werden. Sehr schnell werden die Eltern merken, dass sie davon profitieren. Ein autokratisches Benehmen führt zwangsläufig zur Rebellion. Nicht anders beim Volk, liebe Petra. Ich denke, dass die Jugend solche Regeln übernehmen sollte und Respekt gegenüber anderen zeigen sollte. Du siehst, es geht nicht alleine um das große Geld, um die EZB und Mario Draghi, es geht vielmehr um das politische Verhalten, das weitsichtiger sein sollte, aber leider sind wir davon weit entfernt.
Im diesen Sinne,
Pierre

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