NSA
Rund eineinhalb Jahre ist es her, dass man das Handy von Kanzlerin Merkel angezapft hat. Hierin gipfelte der NSA-Abhörskandal. Vorher waren Massen an Daten von deutschen Staatsbürgern gesammelt worden, Telefonate wurden mitgeschnitten. Vom Dach der US-amerikanischen Botschaft in Berlin aus wurde dazumal abgehört. Die Deutschen, wie immer, geteilter Meinung: die Braven finden nichts dabei. Solange man sich rechtlich korrekt verhalte, könne man einem nichts. Übrigens wüssten die doch eh schon alles. Die Kritischen: Der Gipfel der Unverschämtheit! Man sammele Daten von unbescholtenen Bürgern. Diese gingen den eigenen Staat nichts an und schon gar keine fremde Regierung.
Jetzt die zweite Runde: Der Bundesnachrichtendienst soll die im Auftrag der NSA abgefangenen Daten nicht nur weitergeleitet, sondern auch für eigene Zwecke ausgewertet haben. Die Inhalte von Kommunikationen seien gespeichert worden, es habe vollständige Aufzeichnungen von Telefonaten und E-Mails gegeben. Die Generalbundesanwaltschaft prüft, ob Anfangsverdacht auf Landesverrat vorliegt. Auch aus Brüssel wird die Kritik lauter.
Dürfen BND und NSA eigentlich alles? Ein kurzer Blick auf Staats- und Völkerrecht:
1) Staatliche Souveränität: Man behandelt seine Angelegenheiten nach den eigenen Vorstellungen. Telefonieren Politiker oder Amtsträger miteinander, müssen sie das ungestört tun können. Ist dies nicht der Fall, ist der Grundsatz der staatlichen Souveränität verletzt. Was ist nun mit Privatleuten?2) Recht auf Privatsphäre: Dies ist ein Menschenrecht. Und die USA sind verpflichtet, dies zu achten. Sie haben den Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert – der dortige Artikel 17 enthält das Recht auf Privatsphäre.
Gilt das nur für das Staatsgebiet der Vereinigten Staaten oder auch für die Bürger Deutschlands?
Das Recht auf Privatsphäre kann eingeschränkt werden, wenn eine gesetzliche Ermächtigung besteht, ein legitimes Ziel verfolgt wird und die Einschränkungen verhältnismäßig sind. Eine rechtliche Grundlage besteht entweder im US-Recht oder in Form völkerrechtlicher Verträge mit Deutschland. Ein legitimes Ziel ist zum Beispiel Terrorbekämpfung. Aber wie jetzt, einfach alles zu erfassen, zu scannen und zu sammeln ist zu pauschal, nicht mehr notwendig, um Gefahren wirksam zu bekämpfen und daher unverhältnismäßig.
Eine flächendeckende, vorsorgliche und anlasslose Erhebung und Speicherung von Daten auf Vorrat verstößt auch gegen deutsches Verfassungsrecht. Das ist für Organe des Bundes unmittelbar bindend und man ist international verpflichtet, sich dafür einzusetzen. Eine anlasslose Speicherung von Daten auf Vorrat zu unbestimmten Zwecken ist strikt untersagt. Das gilt für Verbindungsdaten und erst Recht für Kommunikationsinhalte. Zu verweisen ist diesbezüglich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung. Dies hat auch Relevanz auf europäischer Ebene aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes: Der Bürger hat ein IT-Grundrecht! Es gewährleistet ihm Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.
Mit dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel-10-Gesetz – G 10) sind die Befugnisse der deutschen Geheimdienste zu Eingriffen in das durch Artikel 10 des Grundgesetzes garantierte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis geregelt. Der dortige § 7a Abs. 1 lässt zu, dass der BND mit Zustimmung des Bundeskanzleramtes an ausländische Geheimdienste Daten übermittelt, die er im Rahmen von „G-10-Maßnahmen“ erlangte, soweit „a) die Übermittlung zur Wahrung außen- oder sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland oder erheblicher Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates erforderlich ist, b) überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen, insbesondere in dem ausländischen Staat ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist sowie davon auszugehen ist, dass die Verwendung der Daten durch den Empfänger in Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt, und c) das Prinzip der Gegenseitigkeit gewahrt ist“.
Der BND hat an der Kanzlerin vorbei offensichtlich Daten erhoben und diese an die NSA weitergegeben bzw. für eigene Zwecke benutzt. Wenn man bei Wikipedia liest, dass gemäß Bundesdrucksache 17/12773, Bericht vom 13. März 2013, S. 8 in den Jahren 2010 und 2011 keine Übermittlungen der vorgenannten Art an die NSA erfolgt sein sollen, kommen einem berechtigte Zweifel am Wahrheitsgehalt der Unterrichtung des Bundestages durch das damalige Parlamentarische Kontrollgremium.
© Thomas Dietsch