In Großbritannien hat ein Ringen um die Zukunft Schottlands und des ganzen Vereinigten Königreichs begonnen. Während die schottische Regierung ein neues Unabhängigkeits-Referendum für ihr Land noch vor dem britischen Austritt aus der EU verlangt, will die Regierung in London den Schotten eine solche Volksabstimmung verweigern – zumindest für die nächsten Jahre, und möglicherweise bis ins Jahr 2021 hinein. Die Tory-Regierung des Vereinigten Königreichs (UK) hat sich für einen harten Brexit entschieden, das UK aus dem Europäischen Binnenmarkt herauszuführen und die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu beenden. Das macht es zum Gegner der schottischen Regierung, die sich für beides ausspricht. Die Erste Ministerin Schottlands Nicola Sturgeon hat ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für dieses Jahr zwar ausgeschlossen, aber der Druck für eine solche Abstimmung 2018 steigt. Letzte Umfragen zufolge sind in Schottland 49 Prozent für die Unabhängigkeit, 51 Prozent dagegen.
Die Denkfabrik Common Weal erstellt Schriften, „Weißbuchprojekt“ genannt, das die „Strukturen und Systeme eines unabhängigen Schottlands“ untersucht. Dieses ist auf Fragen ausgerichtet, mit denen sich die Unabhängigkeitsbefürworter im letzten Referendum konfrontiert sahen, darunter die Frage nach der Währung Schottlands, die gemeinsamen Mittel zum UK, und die Grenzen zum Rest des UKs. Das alles wird begrüßt, es gibt allerdings noch einige Hürden zu überwinden, wenn ein zweites Referendum erfolgreich ausfallen soll.
Angefangen beim Zeitplan und dem eigentlichen Wesen aller zukünftigen Kampagnen, die in fester Hand der SNP liegen. Jede Kampagne, der die SNP vorsteht, wird Unabhängigkeit in Europa im Herzen tragen. Die von der SNP unterstützte Freizügigkeit der Menschen wird begrüßt, zeigt doch die Zustimmung der Partei zum Binnenmarkt deren Nähe zu Wirtschaft und neoliberalem Kapitalismus.
Das hat sie in Konflikt mit den Gewerkschaften in Schottland gebracht. Die RMT-Gewerkschaft steht mit der schottischen Regierung fast durchgehend im Streit, wegen Sicherheitsproblemen und den Bedingungen auf den Schienen selbst, und zog auch eine Kampagne für Mindestlöhne der Nicht-EU-Ausländer auf, die auf den „Northern Isle Seatruck Service“ arbeiten.
Die pro-EU-Einstellung der SNP löst auch Konflikte mit ihren Anhängern aus, bis zu einem Drittel haben für den Austritt des UKs aus der EU gestimmt.
Weiterhin gibt es noch das zentrale Problem, dass die schottische Regierung sich durchgehend weigert, der Kürzungs- und Sparpolitik der Tories entgegenzutreten. Mag sich die SNP auch noch so viel drehen und wenden: die Tatsache, dass ernsthafte Kürzungen der Gemeindeausgaben aufgrund der Gesamtkürzungen im Budget auftreten werden, kann sie nicht verbergen. Glasgow alleine wird 50 Millionen £ im kommenden Jahr einzusparen haben.
Die schottische Labour-Partei hat die SNP wegen der Sparpolitik angegriffen, doch Labour ist selbst involviert in Haushaltskürzungen, in der Vergangenheit wie aktuell. Ihr fehlt jegliche ernstzunehmende Glaubwürdigkeit, eine Opposition zur SNP darzustellen. Folglich werden die Leistungen der Partei mit ziemlicher Sicherheit in den Gemeinderatswahlen im Mai diesen Jahres vergessen sein.
All das offenbart Widersprüche für die von der SNP angeführten Unabhängigkeitsbewegung. Einerseits bleibt die Unabhängigkeit ein populäres Thema in den Gemeinschaften der Arbeiterschaft, über ganz Schottland verteilt, da diese am meisten vom Sparen betroffen sind. Andererseits bedeutet das Beharren der SNP-Regierung auf „finanzielle Verantwortung“, dass die Menschen, von denen das „ja“ zur Unabhängigkeit abhängt, auch genau jene sind, die am meisten zu leiden hatten.
Anti-Trump-Proteste sind in Schottland beliebt, große Demonstration fanden in Glasgow und Edinburgh statt. Die Ablehnung von Rassismus, die Unterstützung für Flüchtlinge sind weit verbreitet und es gibt eine übergreifenden Widerstand gegen das Angebot von Premierministerin Theresa May, dem US-Präsident im Namen des UKs einen Staatsbesuch abzustatten.
Die Verurteilung dieses Plans durch die schottische Regierung bedeutet, dass Trump relativ sicher Schottland nicht besuchen wird, wenn er ins UK kommt.
Zweifelsfrei: das Engagement vieler, für ein „Aye“ (Ja) in einem zweiten Unabhängigkeitsreferendum zu stimmen, verstärkt sich.