Forscher wollen wegen der beispiellosen menschlichen Einflüsse auf den Planeten ein neues Erdzeitalter ausrufen. Demnach lebten wir derzeit im Anthropozän, dem Menschenzeitalter.
Eine zur Prüfung dieser Frage eingesetzte Arbeitsgruppe plädierte auf dem Internationalen Geologischen Kongress in Kapstadt/Südafrika mit überwältigender Mehrheit dafür, den Begriff einzuführen. Bis er tatsächlich als geologisches Zeitalter übernommen wird, dürften aber Jahre vergehen.
Geologen teilen die Erdgeschichte nämlich in verschiedene Zeitalter ein. Vor knapp 12.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit, begann das Holozän – dessen Ende nun datiert werden soll. 34 der 35 Arbeitsgruppen-Mitglieder stimmten dafür, dass das Holozän seit Mitte des 20. Jahrhunderts beendet ist. Ein Teilnehmer enthielt sich.
Geprägt wurde der Begriff „Anthropozän“ im Jahr 2000 von dem US-Biologen Eugene Stoermer und dem niederländischen Meteorologen und Nobelpreisträger Paul Crutzen, dem früheren Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz. Seitdem wird das Wort oft verwendet, aber nicht als offizielle Epochenbezeichnung.
Was prägt die durch den Menschen veränderte Umwelt?
-die Verbreitung von Plastik, Aluminium, Flugasche und radioaktivem Fallout,
-großräumige Veränderungen der Kreisläufe etwa von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor,
-die beispiellose globale Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten,
-der Klimawandel.
Viele dieser Veränderungen seien geologisch dauerhaft und manche seien unumkehrbar, so die Arbeitsgruppe. Das Votum der Wissenschaftler kommt nicht überraschend.
Man streitet aber darüber, wann das Menschenzeitalter beginnen sollte. Mit der Entdeckung Amerikas? Mit dem Start der Industrialisierung?
Die Arbeitsgruppe schlägt als Beginn Mitte des 20. Jahrhunderts vor. Ein wichtiges Datum wäre der erste Atombombentest am 16. Juli 1945, dessen Folgen sich auf der Erdoberfläche weltweit nachweisen ließen.
In den kommenden zwei bis drei Jahren wolle man klären, welche in den Erdschichten abgelagerten Stoffe als Referenz für das neue Erdzeitalter dienen sollen. Dies könne etwa eine Kombination von Kunststoff, Rückständen aus Atomwaffentests oder von Flugasche aus industrieller Produktion sein, so ein Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, welcher der Arbeitsgruppe angehört. Dieser Vorschlag muss erst von der Subcommission on Quaternary Stratigraphy (SQS) und danach von der Internationalen Kommission für Stratigraphie (ICS) bestätigt werden. Im letzten Schritt muss das Exekutivkomitee der International Union of Geological Sciences (IUGS) den Vorschlag ratifizieren.
Ein langer Weg! Die formale Übernahme des Begriffs hat Signalcharakter. Dies hat aber bei der Entscheidung der Arbeitsgruppe keine Rolle gespielt. Man müsse den globalen geologischen Einfluss des Menschen wissenschaftlich belegen, unabhängig von gesellschaftlichen Diskussionen, wird ausdrücklich hervorgehoben. Die übergeordneten Gremien wollen überzeugt werden … .
Dort gebe es Skepsis, nicht zuletzt weil 12.000 Jahre – also die bisherige Dauer des Holozäns – für ein Erdzeitalter nach geologischen Maßstäben extrem kurz ist.
Vielleicht ist das Holozän doch noch nicht zu Ende …