Ein weiteres Kunstwort, gerade erst kreiert. Nein, keine Angst, kein weiteres Indiz, dass die Europäische Union (EU) zusammenbricht! Sind es Vorgänge einer Untergangsstimmung in der Schweiz?! Was viele nicht wussten: Die Schweiz hatte einmal ein Beitrittsgesuch zur EU gestellt.
Nach dem Nationalrat hat jetzt auch der Ständerat den Rückzug des Beitrittsgesuchs von 1992 beschlossen: Ein historischer Entscheid, aber ohne Folgen!
Der Ständerat hat Mitte Juni mit 27 zu 13 Stimmen und zwei Enthaltungen einer Motion von SVP-Nationalrat Reimann zugestimmt, die den Bundesrat auffordert, das EU-Beitrittsgesuch von 1992 zurückzuziehen. Der Nationalrat hatte bereits im März in diesem Sinne entschieden, mit 126 zu 46 Stimmen bei 18 Enthaltungen.
Wie zieht man 24-jähriges Beitrittsgesuch zurück, das in einem Brüsseler Keller in einem Archiv lagert? Der Bundesrat werde der EU mitteilen, das Gesuch sei „als zurückgezogen zu betrachten“, sagt Außenminister Burkhalter.
Wie auch in der großen Kammer wehrte sich der FDP-Bundesrat nicht gegen die Motion, die zwar nutzlos, aber auch nicht schädlich sei. Die EU wisse, dass das Gesuch der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) galt und mittlerweile gegenstandslos sei.
Kein Redner maß dem im Mai 1992 unterzeichneten Schriftstück einen besonderen Wert bei. Die Meinungen, wie mit „nutzlosen“, „politisch inexistenten“ und rein „symbolischen“ diplomatischen Dokumenten umzugehen sei, gingen aber – wie so oft in früheren Debatten – weit auseinander.
Keller-Sutter (fdp.) plädierte für einen Rückzug des Gesuchs. Das bringe zwar keinen praktischen Vorteil, aber auch keinen Nachteil. Dafür könne die Schweiz einen Schlussstrich ziehen unter dieses historische Thema und sich den Herausforderungen der Zukunft widmen. Das Volk von der Notwendigkeit eines institutionellen Rahmenabkommens zu überzeugen, während das Beitrittsgesuch in den Köpfen immer noch präsent sei, könnte schwierig werden.
Thomas Minder (parteilos) wollte das Thema kurz und schmerzlos beenden, zumal nur heute nur noch „ein paar Wahnsinnige“ der EU beitreten würden. Es gelte, „reinen Tisch“ zu machen, so ein anderer Abgeordneter. Island hat den Mut gehabt und das Beitrittsgesuch zurückgezogen, deshalb sei kein Vulkan ausgebrochen. Man verspricht sich von der Motion, dass sie zu einem besseren atmosphärischen Gleichgewicht der Schweizer Politik beitrage.
Andere Abgeordnete finden die ganze Diskussion, die schon oft geführt wurde, mehr als „ein bisschen lächerlich“. Es sei nicht sehr intelligent, immer wieder darüber zu diskutieren. Die Anregung einiger Parlamentarier, der EU anstelle eines Rückzugs eine differenzierte Erklärung zukommen zu lassen, ist von der Kommission nicht aufgenommen worden.
Die Gegner der Motion argumentierten, dass die Schweiz gar keine Beitrittskandidatin sei und sich mit einer Erklärung zum Gesuch vom 1992 im besten Falle lächerlich mache. Den Vergleich mit dem zurückgezogenen Beitrittsgesuch Islands hält der Rückzug der Schweiz nicht Stand. Im Unterschied zur Schweiz hat Island noch mit der EU verhandelt, als dessen Antrag zurückgezogen wurde.
SP-Präsident Levrat hat keine keine Lust mehr „auf solche Übungen“.
Was tut man nicht alles, um „reinen Tisch“ zu machen?! Blick nach Deutschland: Der dortige Landtag will Hessens Verfassung nach 70 Jahren entstauben. Was in einer neuen Verfassung unter anderem keinen Platz mehr haben soll: die Todesstrafe. Bis heute steht sie im Artikel 21. Praktisch ist das egal, das Grundgesetz schließt sie aus: Bundesrecht bricht Landesrecht! Doch die Politiker wollen die Todesstrafe endlich aus dem hessischen Text tilgen.
Ab und zu lassen sich symbolische Akte nicht vermeiden!