Mal ehrlich: Den Amerikanern kann es eigentlich egal sein, ob es nun mit der Griechenlandrettung klappt oder der Staatsbankrott des Landes kommt verbunden mit einem Grexit. Der bilaterale Handel zwischen den Vereinigten Staaten und Griechenland ist kaum der Rede wert. Aber mehr als einmal haben die US-Amerikaner uns gemahnt, man solle die Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter nehmen, eventuell gar einen Schuldenschnitt machen.
Ein altes Pressefoto vom 27.02.1953 in London kursiert durchs Netz. Diese Woche landete es sogar auf der Homepage der „New York Times“, die die „deutsche Scheinheiligkeit“ anprangerte: „Der Hauptgläubiger, der fordert, dass Griechenland für seine vergangene Verschwendung zahlt, profitierte vor nicht allzu langer Zeit von milderen Konditionen, als er sie jetzt selbst anzubieten bereit ist“, heißt es in dem Text mit der Schlagzeile „Deutschland vergisst die Nachkriegslehren“.
Die junge Bundesrepublik unterzeichnete damals das sogenannte Londoner Schuldenabkommen, mit dem die Gläubigerländer der jungen Republik mehr als die Hälfte ihrer Weltkriegsschulden erließen und die Frage der Kriegsreparationszahlungen auf den Zeitpunkt des Abschlusses eines Friedensvertrages verschoben.
Moralisches Getue der Amis? Mahnende Worte mit erhobenem Zeigefinger? Nicht ganz!
Ende 2014 schuldete Griechenland den US-Banken gerade einmal 12,7 Milliarden Dollar. Als größter Shareholder des Internationalen Währungsfonds ist Washington außerdem an Athens IWF-Schulden beteiligt. Das wäre zur Not zu verschmerzen. Was aber wäre, wenn ein griechischer Staatsbankrott Europas Wirtschaft zu Boden reißt? Ein Kollaps Europas wäre eine andere Sache. Ein „Überschwappen“ der Krise könnte das US-Wachstum drücken, warnte Goldman Sachs seine Klienten. Zumal die USA ein handfestes Problem vor der eigenen Haustür haben: Puerto Rico! Das US-amerikanische Außengebiet in der Karibik hat einen Schuldenberg von 72 Milliarden Dollar angehäuft.
Ein Staatsbankrott Griechenlands würde die US-Wirtschaft direkt kaum treffen. Etwas schwieriger zu kalkulieren sind die indirekten Folgen. Eine Staatspleite könnte zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen, die auch die USA zu spüren bekämen.
Denkbar wäre auch eine Flucht der Anleger aus dem Euro, die den Kurs des ohnehin starken Dollars weiter nach oben treibt und der amerikanischen Exportindustrie das Geschäft erschwert. Für die Länder, in welche die USA exportieren, kämen die US-amerikanischen Waren teurer. Die Frage, wie groß solche „Spillover“-Effekte wären, spielte auch bei der jüngsten Sitzung des US-Zentralbankrats eine Rolle. Insgesamt hält aber auch die amerikanische Notenbank FED die Risiken einer Griechenland-Pleite für die USA für überschaubar. Das US-Internetmagazin Politico titelte gar: „White House on Greece: Not our problem!“. Die Amerikaner können, was Europa angeht, eigentlich beruhigt sein. Das Kerneuropa der Eurozone steht institutionell gestärkt da und verfolgt in dieser Krise gemeinsame Interessen. Weitere finanzielle Hilfen für ein Mitgliedsland, das sich den im Gegenzug geforderten Reformen verweigert, schließen alle anderen Mitglieder aus.
Und schlussendlich: Die Vereinigten Statten haben keinen Grund, den Zeigefinger zu heben. Gegen die harte Haltung der Länder der Euro-Zone gegenüber Griechenland lässt sich rein ökonomisch wenig einwenden. Ein Blick zurück in die Geschichte der USA Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt, dass Washington damals selbst einen harten Kurs gegenüber hoch verschuldeten Bundesstaaten einschlug. Damals entschied sich eine Mehrheit wirtschaftlich starker US-Staaten gegen einen Bailout für die hoch verschuldeten Staaten aus Bundesmitteln. Die ZEIT schließt daraus, dass Investoren von da an lernten, Risiken nach Einzelfall und nach Wirtschaftskraft einzelner Staaten zu bewerten. Mit dieser Politik erlangten die USA großes Renommée in der Finanzwelt und genießen bis heute in Sachen Geldanlagen den Status als „sicherer Hafen“.
Es wird schon gutgehen mit den Griechen!
© Thomas Dietsch