Liebe Petra,

in deinem Brief mit dem Thema Freiheit ist mir deine Sicht über das Tragen des Kopftuches in öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Schule, aufgefallen. Mit Recht sprichst du von Toleranz in diesem Zusammenhang. Wenn unsere Gesellschaft sich für eine freie Meinung einsetzt, sollte sie akzeptieren, dass Menschen sich nach ihrem Glauben oder Lebenseinstellung richten und sich nicht scheuen sollten, sie zum Ausdruck zu bringen. Das ist im Prinzip richtig, dennoch gibt es in diesem Zusammenhang einige Probleme. Was nun, wenn Kinder die Religion als Alibi missbrauchen, um andere auszugrenzen? Wir beobachten seit Jahrhunderten welchen Schaden die „göttliche Ideologie“ auslöst und welche Grausamkeiten, von der Hexenverbrennung bis zu den Morden des Islamischen Staates, in ihrem Namen durchgeführt werden. Das hat mit Menschlichkeit und der reinen Lehre gar nichts zu tun – es ist abscheulich. Für mich ist das die Antithese der hochgelobten Freiheit, daher bin ich für eine konsequente Trennung zwischen Religion und Staat. Für mich ist Laizismus das Grundprinzip eines friedlichen Zusammenlebens.

Daher vertrete ich die Meinung, dass in der Schule oder in anderen öffentlichen Einrichtungen, kein Religionssymbol vorhanden sein soll und das geht vom Kreuz bis zur Kippa, darunter auch das Kopftuch. In Frankreich findet der Religionsunterricht in den Glaubensgemeinden statt, nur so ist es möglich, aus der Sicht der politischen Behörden, Spannungen fernzuhalten. Ob von links oder von rechts, eine sehr große Mehrheit setzt sich dafür ein. Um glaubwürdig zu sein, dürfen keine Ausnahmen gemacht werden, jeder Bürger ist gleichgestellt, das heißt aber bei weitem nicht, die Religionsfreiheit zu verhindern. Wenn man heute sieht, wie Kinder indoktriniert werden, sollte diese Einstellung nicht missverstanden werden. Eine 16jährige ist in München verschwunden und es ist anzunehmen, dass sie nach Syrien „ausgewandert“ ist, um die Islamisten zu unterstützen, die „wahre Botschaft zu verkünden“. Wir wissen viel zu gut, was das bedeutet: Das Köpfen von Andersdenkenden! Das wird auch nicht der Laizismus verhindern können, aber es sollte alles getan werden, um solche Gedanken zu verhindern und dazu gehört das Entfernen von religiösen Symbolen in der Schule, zum Beispiel.

Du siehst, liebe Petra, dass ich irgendwie schwanke. Ich wäre schon für die vollständige Freiheit, wenn die Menschen sich gegenseitig respektieren würden, aber das ist leider nicht der Fall. Wer aus der Reihe tanzt wird noch immer diskriminiert und mit dem Finger auf ihn gezeigt, deshalb muss alles getan werden, um Spannungen abzubauen. Wenn das nicht vom an Schulalter getan wird, führt es zwangsläufig zu einer Eskalation und das geht vom Mobben bis zum Mord. Der Gedanke des Laizismus besteht darin, jeder Art von Ideologie Paroli zu bieten und das im Namen eines friedlichen Zusammensein. Laizismus ist nicht mit Atheismus gleichzustellen. Religionen werden respektiert, aber in einem bestimmten Rahmen. Hinzu kommt noch, wenn sie zu sehr mit dem Staat verflochten sind, dass jede Art von Kritik ausbleibt und das wäre ein herber Verlust für den demokratischen Dialog. Liebe Petra, gerade heute ist er notwendiger denn je.

 

Herzliche Grüße,
Pierre

//pm

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