Liebe Petra,

Valentinstag. Heute sollen wir lieben, knutschen, die Blumenhändler mit einem guten Umsatz beglücken und auf Facebook lauter vorgefertigte Herzen rundum senden. Ich finde diesen Tag genauso bescheuert wie den Muttertag, denn dahinter steckt vor allem Kommerz. Wenn ich Gefühle für jemanden empfinde, sollen sie dauerhaft sein, aber eigentlich wollte ich das nicht schreiben, liebe Petra. Du weißt, dass ich jedem Karikaturisten die Freiheit lasse, das zum Ausdruck zu bringen, was er empfindet. Wie die Satiriker von Charlie Hebdo, die für ihre Meinungsfreiheit ihr Leben lassen mussten. Das ist für mich eine Grundhaltung, aber auch für die Betroffenen ein Recht, sich gegen Angriffe zu wehren. Was Wolfgang Schäuble in Griechenland widerfahren ist finde ich ganz einfach infam. Ihn in eine Naziuniform zu stecken ist schon peinlich aber vielmehr folgende Wortblasen: „Wir bestehen darauf, Seife aus eurem Fett zu machen“, sagt der Bundesfinanzminister…und: „Wir diskutieren nur über Düngemittel aus eurer Asche.“ Das ist der Jargon, der im Vernichtungslager Auschwitz benutzt wurde. Das ist nicht nur beleidigend, sondern vielmehr eine Postille im Stil des antisemitischen „Stürmer“ und – wie damals – in einer regierungsnahen Zeitung. Wenn das die Aussage von der Syriza-Partei ist, können wir alle wieder einpacken. Toll, Herr Tsipras, das ist echte linke Politik!
Wir haben uns oft die Frage gestellt, liebe Petra, inwieweit wir uns kritisch ausdrücken sollten und du kennst meine Meinung dazu. Nur kein Blatt vor den Mund nehmen, solange es um sachliche Dinge geht. Aber wenn das geschriebene Wort beleidigend und verletzend ist, sehe ich schon manche Grenzen. Wolfgang Schäuble so darzustellen, als ob er ein Schurke des 3. Reichs sei, ist sachlich gesehen nicht exakt und hat nur die Provokation als Hintergrund. Wenn die Griechen sich über ihn ärgern, haben sie andere Mittel ihn bloß zu stellen, aber damit schießen sie ein Eigentor! Solche Auswüchse machen mich wütend, weil die unsere journalistische Ethik zertrampeln. Unsere Seriosität kann durchaus in Frage gestellt werden. Eine gute Satire muss sehr gut recherchiert werden, denn jedes Wort hat seine Bedeutung. Der große Meister des deutschen Kabaretts, Dieter Hildebrand, hat das sehr wohl praktiziert und das erlaubte ihm, in seiner Kritik sehr weit zu gehen. Bei Charlie Hebdo kann man sich wohl über das eine oder andere ärgern, aber der Hintergrund war und ist immer gut recherchiert.

Ich finde diesen Vorfall symbolisch für das Aufkommen des Populismus in ganz Europa. Immer mehr hantieren Politikern mit Schlagwörtern, ohne in die Tiefe zu gehen. In dem Twitter-Zeitalter fast eine Selbstverständlichkeit. In 140 Zeilen wird die Welt verändert, alles im Telegrammstil! Da darf man sich nicht wundern, manipuliert zu werden. Dem kleinen Mann in Griechenland soll vermittelt werden, dass eine Mehrheit der Deutschen sich wie SS benehmen und deswegen gehasst werden müssen. Aber derselbe Bürger hat nichts dagegen, wenn die Germanen ihre Moneten in seinem Land ausgeben. Wenn dort Mist herrscht, haben es die dortigen Politikern zu verantworten. Jetzt halte ich besser die Klappe um nicht auszurasten.

In diesem Sinn, liebe Petra,
Pierre

//pm

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