GEZ heißt die Institution schon einige Zeit nicht mehr, die uns die Gebühren für die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens abknöpft, sondern „Beitragsservice“. Mit Service für Gäste hat das nichts zu tun, vielmehr trifft es die Mehrzahl von uns, dass wir für die Nutzungsmöglichkeit der „Öffentlich-Rechtlichen“ zahlen müssen und zwar gezwungenermaßen.

Vielen stinkt das und sie möchten dies verfassungsrechtlich geprüft haben. Jedes Vierteljahr verschwinden vom Konto 52,50 Euro, das sind umgerechnet 17,50 Euro im Monat.

Seit 2013 muss der Rundfunkbeitrag von jedem Haushalt bezahlt werden, auch wenn dort weder Fersehen noch Radio stehen. Wer nicht taub, blind ist oder Hartz IV bezieht, kommt um den Rundfunkbeitrag nicht herum. Der hieß früher einmal Rundfunkgebühr und umgangssprachlich GEZ-Gebühr, weil die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) das Geld eingetrieben hat. Noch viel früher war es die Postgebühr, die fürs Radio und Fernsehen bezahlt werden musste. Doch egal wie sie heißt, der Ärger um die „Zwangsabgabe“, wie Kritiker sie nennen, bleibt. Heute und morgen befasst sich das Bundesverfassungsgericht damit, ob der Beitrag rechtens ist. Es liegt eine Vielzahl von Beschwerden vor. Mehr als 400 sind in Karlsruhe eingegangen, rund 140 sind noch anhängig. Insgesamt vier hat das Gericht nun für das Verfahren zugelassen. Drei Privatpersonen und ein Autovermieter müssen begründen, warum ihrer Meinung nach der Rundfunkbeitrag gegen das Gleichheitsgebot von Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt.

Die Gliederung der Verhandlung zeigt, dass die Verfassungsrichter im Wesentlichen drei mögliche Probleme sehen: Erstens, dass jeder Haushalt zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herangezogen wird, unabhängig davon, welche Geräte sich in der Wohnung befinden. Zweitens, dass nicht differenziert wird, wie viele Menschen in dem Haushalt leben, was dazu führt, dass eine Wohngemeinschaft mit acht Personen genauso viel bezahlt wie ein Singlehaushalt und drittens, dass die Eigentümer von Zweitwohnungen zweimal zur Kasse gebeten werden – obwohl sie sich jeweils nur in einer Wohnung aufhalten können. Ähnlich wie bei Privateigentümern wird der gesamte Kanon an Vorschriften auch noch für den gewerblichen Bereich geprüft werden. Dass all diese Punkte Ärger bereiten könnten, war schon klar, als der Rundfunkbeitrag vor gut fünf Jahren eingeführt wurde. Dass die Rundfunkfinanzierung damals überhaupt neu geregelt wurde, erklärten die Verantwortlichen damit, dass die Empfangsgeräte Radio und Fernseher nicht mehr als Grundlage für die Berechnung der Abgabe taugten. Zunehmend ersetzen Computer, Laptop oder Handy die klassischen Informationsquellen; deren Nutzung ist schwieriger zu kontrollieren als der Besitz eines Fernsehers.

Begründet wurde die Abgabe mit dem bereitgestellten Leistungsangebot der öffentlich-rechtlichen Sender. Darauf, ob dieses Angebot angenommen werde, komme es nicht an. Kritiker können also nicht einfach darauf verweisen, nie mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Berührung zu kommen. Nicht aus dem Auge verlieren darf man die Tatsache, dass in der Schweiz erst vor wenigen Wochen eine Volksbefragung über ihr Modell durchgeführt wurde: Mehr als 70 Prozent der Befragten wollen die Gebühr behalten!

Die juristische Dimension ist aufs Engste verknüpft mit dem Namen Kirchhof. Das rechtliche Konstrukt hinter dem Rundfunkbeitrag hat der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof ersonnen. Sein Gutachten bildet die juristische Grundlage für die aktuelle Abgabe. Der 75-Jährige gilt als ausgewiesener Steuerexperte und war im Wahlkampf 2005 sogar Finanzminister im Schattenkabinett von Angela Merkel. Juristisch führt nun Paul Kirchhofs jüngerer Bruder Ferdinand die Regie. Der 67-Jährige ist aktuell Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzender des Ersten Senates, welcher sich von diesem Tag an um die Verfassungsbeschwerden zum Rundfunkbeitrag kümmert. Da liegt es nahe, hier an Befangenheit zu denken. Das Gericht sah das jedoch anders und hat entsprechende Anträge Anfang Mai zurückgewiesen. Auch die Diskussion darüber, ob es sich bei der Rundfunkabgabe um eine verkappte Steuer handelt, wird vor dem Verfassungsgericht eine Rolle spielen. Der Steuerrechtsexperte Paul Kirchhof hat in seinem Gutachten viel Raum auf diese Frage verwendet und hält selbst eine Steuer für den falschen Weg, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, dem er aber gleichwohl eine finanzielle Bestandsgarantie einräumt, die vom Grundgesetz gedeckt ist. Immerhin diese Garantie haben die Verfassungsrichter in ihren bisherigen Entscheidungen pro Gebühr auch gesehen. Und egal, wie das Verfassungsgericht in seinem Urteil, das in ein paar Monaten erwartet wird, auch entscheidet: Ärger droht dann immer noch: Das Landgericht in Tübingen hat beim Europäischen Gerichtshof angefragt, ob die Abgabe mit dem Europarecht in Einklang zu bringen sei, da in Polen, Tschechien oder Frankreich die vergleichbare Abgabe drei bis zehn Euro im Monat billiger sei.

Parteien wie die AfD kritisieren die angebliche „Lügenpresse“ und die herrschende Fernsehkultur. Staatsfernsehen! Staatsfunk! Diese Begriffe haben in jüngster Zeit Konjunktur – längst nicht nur bei den Sympathisanten obiger Partei. Auch Autoren der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schreiben von „Staatssendern“ oder „staatlichem Rundfunk“, wenn sie ARD, ZDF oder Deutschlandradio meinen. Das Problem an den Begriffen? Sie sind nicht richtig!

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Gegenentwurf zum Großdeutschen Rundfunk der Nazis etabliert. Die Nationalsozialisten hatten die Medien gleichgeschaltet und den Rundfunk verstaatlicht und zentralisiert – er diente Reichspropagandaminister Joseph Goebbels als Instrument.

Nach dem Krieg wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Aufsicht der Alliierten föderal neu aufgebaut: Nach Vorbild der britischen BBC sollten die Rundfunkanstalten unabhängig vom Staat sein.

Der Staat darf nicht diktieren, wie das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender aussieht. Maßgeblich für die Entwicklung dieses staatsfernen Verständnisses des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war und ist das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter haben in ihren Fernsehurteilen immer klargemacht: In Deutschland darf es keinen Staatsfunk geben!

Das bekam seinerzeit auch Bundeskanzler Konrad Adenauer Anfang der 1960er-Jahre zu spüren. Der Kanzler plante ein privatrechtliches Deutschland-Fernsehen. Der Bund sollte 51 Prozent an der GmbH halten, die Länder 49 Prozent. Die Bundesregierung hätte bis zu zehn der maximal 15 Mitglieder des Aufsichtsrates bestimmt und sich somit einen dominierenden Einfluss auf den Fernsehsender gesichert.

Doch Adenauers Deutschland-Fernsehen scheiterte am Bundesverfassungsgericht. Rundfunk sei erstens Ländersache, urteilten die Richter. Außerdem hätte ein Deutschland-Fernsehen nach Adenauers Vorstellungen gegen einen wichtigen Grundsatz verstoßen: Es wäre nicht staatsfern gewesen, die Bundesregierung hätte einen zu starken Einfluss auf das Fernsehprogramm gehabt.

Staatsferne ist also die verfassungsrechtliche Maßgabe, bedeutet allerdings nicht völlige Staatsfreiheit (Gostomzyk, Medienrechtler). In den Aufsichtsgremien, die ARD und ZDF kontrollieren, sitzen „gesellschaftlich relevante Gruppen“. Dazu gehören Kirchenvertreter, Gewerkschafter, aber auch Vertreter von Parteien und Landesregierungen. Staatliche Akteure dürften in den Rundfunk- und Verwaltungsräten allerdings keinen maßgeblichen Einfluss bekommen, so obiger Medienrechtler.

Das gelang nicht immer. In 2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht den ZDF-Staatsvertrag in Teilen für verfassungswidrig, weil zu viele Vertreter von Bund, Ländern und Parteien in den Aufsichtsgremien saßen.

Nach dem neuen ZDF-Staatsvertrag darf maximal noch ein Drittel staatsnah sein. Damit solle der Einfluss der Staatsbank auf das öffentlich-rechtliche Programm begrenzt werden (Thomaß, Medienwissenschaftlerin).

Für mehr Unabhängigkeit soll in Deutschland auch die Finanzierung sorgen. Im Gegensatz zu anderen Staaten werden ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht aus dem Staatshaushalt finanziert, sondern über den Rundfunkbeitrag, welchen jeder Haushalt in Deutschland zahlen muss.

Wird der Rundfunk dagegen direkt aus dem Staatshaushalt finanziert, öffnet das Tür und Tor für politische Einflussnahme. Wechselnde politische Mehrheiten könnten dann darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang die Sender weiter finanziert werden.

Die Deutsche Welle ist ein Ausnahmefall und die einzige Rundfunkanstalt nach Bundesrecht. Laut DW-Gesetz ist das Ziel des Senders, Deutschland im Ausland verständlich zu machen und „den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern“. Anders als ARD-Landesrundfunkanstalten, ZDF und Deutschlandradio, wird die Deutsche Welle aus Steuermitteln finanziert. Zuständig ist der jeweilige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), zur Zeit Staatsministerin Monika Grütters.

Als Beispiel: In Spanien wird Radiotelevisión Española (RTVE) zum großen Teil aus der Staatskasse finanziert. Als Sparmaßnahmen in der Euro-Krise reduzierte die konservative Regierung den staatlichen Zuschuss für RTVE. Hängen Sender von der Gunst der Regierung ab, könnten sie gehemmt sein, kritisch zu berichten. In der Katalonienkrise meldeten sich mehrere RTVE-Journalisten auf Twitter zu Wort. Sie fanden, dass der eigene Sender zu unkritisch über die Polizeieinsätze berichtete.

Staatsfunk heißt schlussendlich: Er wird im Auftrag des Staates gesendet. Beispiel hierfür ist Nordkorea. Dort dienen Staatsmedien der Propaganda. China hat im Bereich Fiktion einen freien Markt, geht es aber um Nachrichten und Information, berichtet der Staatsfunk.

Polen oder Ungarn hatten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingeführt. Jetzt spreche man dort wieder von „Staatsfunk“ (Thomaß).

Man sendet, was die Regierung haben möchte …

 

Im Fall Jan Böhmermann kollidieren die Kunstfreiheit und das Persönlichkeitsrecht.

Was darf Satire? Was nicht?

Die Heilserwartung, das Strafrecht werde die Dinge wieder geraderücken, ist dem geschuldet, dass sich im deutschen Strafgesetzbuch ein Paragraf befindet, der für den Fall wie geschaffen scheint: jener § 103 StGB, dessen Anwendbarkeit an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die Bundesregierung ihre Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt (§ 104a StGB).

Jan Böhmermann hat Anfang April im ZDF ein Gedicht vorgetragen, das von Kränkungen und Schmähungen gegenüber dem türkischen Präsidenten nur so strotzte. Dem Präsidenten wurden in diesem Gedicht homoerotische, sodomitische und pädophile Neigungen nachgesagt, seine Genitalien wurden verhöhnt und er wurde der Impotenz verdächtigt.

Die einzelnen Schimpfverse unterfallen ohne großen Subsumtionsaufwand dem Tatbestand der Beleidigung im Sinne des Strafgesetzbuches. Eine Beleidigung liegt vor, wenn der Beleidigende verbal oder gestisch gegenüber dem Beleidigten Nicht- oder Missachtung bekundet. Geschützt ist die persönliche Ehre.

Das gilt sowohl für den Tatbestand des § 103 StGB, der als Spezialdelikt das Beleidigen einer bestimmten Personengruppe – ausländische Staatsoberhäupter – unter Strafe stellt, wie für den Tatbestand des § 185 StGB, der die Beleidigung gegenüber jedermann ahndet.

Da beide Normen vom selben juristischen Beleidigungsbegriff ausgehen, ist die derzeit diskutierte Frage, ob die Bundesregierung die für die Verfolgung eines Deliktes nach § 103 StGB erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen wird, belanglos. Sie spielt im Fall einer Verurteilung Böhmermanns lediglich eine Rolle für das Strafmaß, da das Delikt des § 103 eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht, während bei Beleidigung nach § 185 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr droht.

Für die Frage, ob überhaupt eine Strafverfolgung stattfindet, ist die Ermächtigung der Bundesregierung hingegen unwichtig – Präsident Erdoğan hat einen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt und die Staatsanwaltschaft Mainz hat ihre Ermittlungen aufgenommen – nach § 185 StGB – unabhängig von einer Ermächtigung der Bundesregierung.

Juristisch liegt die Problematik in einem anderen Bereich: Eine tatbestandlich gegebene Beleidigung bleibt nach deutschem Strafrecht dann straflos, wenn die inkriminierten Äußerungen in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht wurden – so formuliert es § 193 StGB. Ein solcher Rechtfertigungsgrund hebt die Strafbarkeit der Äußerung auf.

Diese Norm ist das „Einfallstor“ des Grundgesetzes in den Wirkungsbereich des Strafrechtes – und somit auch der Kunstfreiheit. Die Kunstfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 GG ist ein sehr starkes, durch die Verfassung schrankenlos gewährleistetes Grundrecht.

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes – in der Folge auch der Verwaltungs- und Strafgerichte – anerkannt, dass Satire dem Schutzbereich der Kunstfreiheit untersteht. Das Bundesverfassungsgericht hat stets als wesentlich für die künstlerische Betätigung „die freie schöpferische Gestaltung“ betont, „in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“.

Nach diesem weitgehenden Kunstbegriff dürfte es schwerfallen, dem Schmähgedicht die Eigenschaft als Kunstwerk abzusprechen.

Eine Strafbarkeit ist damit noch nicht ausgeschlossen. Vielmehr muss auch das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht der Kunstfreiheit dort Grenzen akzeptieren, wo Grundrechte anderer durch eine künstlerische Betätigung berührt oder gar verletzt werden. Dies gilt besonders für das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht, dem auch die persönliche Ehre zuzuordnen ist.

Allerdings begrenzt die Kunstfreiheit ihrerseits wieder das Persönlichkeitsrecht. Um diese Grenze zu bestimmen, genügt es im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts – hier in Form einer Beleidigung – festzustellen: Es bedarf vielmehr der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückstehen muss.

Eine schwerwiegende Abwägung! Jene muss die Staatsanwaltschaft Mainz vornehmen und – im Falle einer Anklage – das Amtsgericht Mainz verhandeln.
Wir haben vorliegend ein juristisches Paradebeispiel für die Erprobung der Grenzen der Satire – und zugleich eine Demonstration von deren Macht.

Es ist wahrscheinlich, dass das Verfahren zugunsten Böhmermanns enden wird.

Alles andere wäre eine vollkommene Umkehr der deutschen Verfassungsrechtsprechung zur Freiheit der Kunst, wenn am Ende nicht ein Freispruch und damit ein „im Zweifel für die Freiheit“ stünde.