Parteien wie die AfD kritisieren die angebliche „Lügenpresse“ und die herrschende Fernsehkultur. Staatsfernsehen! Staatsfunk! Diese Begriffe haben in jüngster Zeit Konjunktur – längst nicht nur bei den Sympathisanten obiger Partei. Auch Autoren der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schreiben von „Staatssendern“ oder „staatlichem Rundfunk“, wenn sie ARD, ZDF oder Deutschlandradio meinen. Das Problem an den Begriffen? Sie sind nicht richtig!
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als Gegenentwurf zum Großdeutschen Rundfunk der Nazis etabliert. Die Nationalsozialisten hatten die Medien gleichgeschaltet und den Rundfunk verstaatlicht und zentralisiert – er diente Reichspropagandaminister Joseph Goebbels als Instrument.
Nach dem Krieg wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Aufsicht der Alliierten föderal neu aufgebaut: Nach Vorbild der britischen BBC sollten die Rundfunkanstalten unabhängig vom Staat sein.
Der Staat darf nicht diktieren, wie das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender aussieht. Maßgeblich für die Entwicklung dieses staatsfernen Verständnisses des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war und ist das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter haben in ihren Fernsehurteilen immer klargemacht: In Deutschland darf es keinen Staatsfunk geben!
Das bekam seinerzeit auch Bundeskanzler Konrad Adenauer Anfang der 1960er-Jahre zu spüren. Der Kanzler plante ein privatrechtliches Deutschland-Fernsehen. Der Bund sollte 51 Prozent an der GmbH halten, die Länder 49 Prozent. Die Bundesregierung hätte bis zu zehn der maximal 15 Mitglieder des Aufsichtsrates bestimmt und sich somit einen dominierenden Einfluss auf den Fernsehsender gesichert.
Doch Adenauers Deutschland-Fernsehen scheiterte am Bundesverfassungsgericht. Rundfunk sei erstens Ländersache, urteilten die Richter. Außerdem hätte ein Deutschland-Fernsehen nach Adenauers Vorstellungen gegen einen wichtigen Grundsatz verstoßen: Es wäre nicht staatsfern gewesen, die Bundesregierung hätte einen zu starken Einfluss auf das Fernsehprogramm gehabt.
Staatsferne ist also die verfassungsrechtliche Maßgabe, bedeutet allerdings nicht völlige Staatsfreiheit (Gostomzyk, Medienrechtler). In den Aufsichtsgremien, die ARD und ZDF kontrollieren, sitzen „gesellschaftlich relevante Gruppen“. Dazu gehören Kirchenvertreter, Gewerkschafter, aber auch Vertreter von Parteien und Landesregierungen. Staatliche Akteure dürften in den Rundfunk- und Verwaltungsräten allerdings keinen maßgeblichen Einfluss bekommen, so obiger Medienrechtler.
Das gelang nicht immer. In 2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht den ZDF-Staatsvertrag in Teilen für verfassungswidrig, weil zu viele Vertreter von Bund, Ländern und Parteien in den Aufsichtsgremien saßen.
Nach dem neuen ZDF-Staatsvertrag darf maximal noch ein Drittel staatsnah sein. Damit solle der Einfluss der Staatsbank auf das öffentlich-rechtliche Programm begrenzt werden (Thomaß, Medienwissenschaftlerin).
Für mehr Unabhängigkeit soll in Deutschland auch die Finanzierung sorgen. Im Gegensatz zu anderen Staaten werden ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht aus dem Staatshaushalt finanziert, sondern über den Rundfunkbeitrag, welchen jeder Haushalt in Deutschland zahlen muss.
Wird der Rundfunk dagegen direkt aus dem Staatshaushalt finanziert, öffnet das Tür und Tor für politische Einflussnahme. Wechselnde politische Mehrheiten könnten dann darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang die Sender weiter finanziert werden.
Die Deutsche Welle ist ein Ausnahmefall und die einzige Rundfunkanstalt nach Bundesrecht. Laut DW-Gesetz ist das Ziel des Senders, Deutschland im Ausland verständlich zu machen und „den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern“. Anders als ARD-Landesrundfunkanstalten, ZDF und Deutschlandradio, wird die Deutsche Welle aus Steuermitteln finanziert. Zuständig ist der jeweilige Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), zur Zeit Staatsministerin Monika Grütters.
Als Beispiel: In Spanien wird Radiotelevisión Española (RTVE) zum großen Teil aus der Staatskasse finanziert. Als Sparmaßnahmen in der Euro-Krise reduzierte die konservative Regierung den staatlichen Zuschuss für RTVE. Hängen Sender von der Gunst der Regierung ab, könnten sie gehemmt sein, kritisch zu berichten. In der Katalonienkrise meldeten sich mehrere RTVE-Journalisten auf Twitter zu Wort. Sie fanden, dass der eigene Sender zu unkritisch über die Polizeieinsätze berichtete.
Staatsfunk heißt schlussendlich: Er wird im Auftrag des Staates gesendet. Beispiel hierfür ist Nordkorea. Dort dienen Staatsmedien der Propaganda. China hat im Bereich Fiktion einen freien Markt, geht es aber um Nachrichten und Information, berichtet der Staatsfunk.
Polen oder Ungarn hatten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingeführt. Jetzt spreche man dort wieder von „Staatsfunk“ (Thomaß).
Man sendet, was die Regierung haben möchte …