Paris, Istanbul, Nizza, Berlin, Manchester, London. Die Metropolen aufzählen heißt auch die Orte nennen, an welchen der Terror wütete. Brutale Terroranschläge haben sich in den letzten zwei Jahren in Europa gehäuft. In den Medien wurde mehr oder minder ausführlich darüber berichtet. Haben sie damit den Schrecken in der Öffentlichkeit weiterverbreitet? Hat man dem zynischen Kalkül der Terroristen Vorschub geleistet? Machen sich Redaktionen gar durch die Publikation verstörender Bilder der Tatorte zum Instrument des Terrors?
Diese Bedenken sind berechtigt. Die Redaktionen der Blätter müssen mit Bedacht damit umgehen. Manche Zeitungen veröffentlichen geschwärzte Seiten oder bilderlose Berichte, andere wiederum zeigen das Gesicht der Gewalt völlig hüllenlos. Führende Tageszeitungen sind zur sachlichen Information ihrer Leser verpflichtet. Deren Leser erwarten zu Recht, dass sie auch über verstörende Ereignisse wie Terroranschläge angemessen und kompetent berichten, sofern diese für Politik und Gesellschaft von Bedeutung sind. Und das ist bei der Welle islamistischer Terroranschläge in Europa ohne Zweifel der Fall.
Das Informationsrecht der Leser ist allerdings nicht das einzige Kriterium, das Redaktionen zu berücksichtigen haben. Abzuwägen sind auch Fragen des Persönlichkeitsschutzes der Opfer, sowie das Risiko einer Propagandawirkung für die Attentäter, welche künftige Gewaltakte wahrscheinlicher machen kann. Dieses Abwägen oft gegenläufiger Interessen kann nicht ein für alle Mal abschließend geregelt werden. Es muss von verantwortungsbewussten Redakteuren in jedem Einzelfall vorgenommen werden.
Während der Korrespondent oder der Kommentator die Güterabwägung im Text oft subtil vornehmen kann, stellt sich das Problem im Fall von Bildern schärfer. Bilder können eine besondere Emotionalität transportieren und den Betrachter mit Wucht treffen. Redakteure stehen also vor der Frage: Publizieren oder zensieren? Ein Dazwischen gibt es nicht. Entsprechend groß muss die Sensibilität und Sorgfalt bei der Selektion von Bildern sein.
Wer mit Pressearbeit zu tun hat, ist nicht nur Transporteur, nein, er ist auch Analytiker und
Kritiker dieses Grauens.
Täglich stellt sich die Anforderung, Entscheidungen richtig zu treffen.
Was ist zu berücksichtigen? Auf was kommt es an? Entscheidend ist der Kontext, in dem ein Bild entstanden ist und in dem es publiziert wird. Verhält man sich journalistisch korrekt, dann darf man Bilder von Schauplätzen des Terrors nur veröffentlichen, wenn sie in Analysen eingebettet sind, die dem Leser die Möglichkeit eines Gesamtbilds vermitteln. Ein Blatt darf mit einem Bild nicht schockieren, sondern muss damit informieren. Es gilt, die Gefahr der Abstumpfung der Leser zu vermeiden, schlechte Pressearbeit zieht oft auch den Verlust von Teilen der Leserschaft nach sich. Sind Personen auf einem Bild zu sehen, muss sich ein Berichterstatter kritisch fragen, ob deren Würde durch die Publikation verletzt wird; Voyeurismus verbietet sich ebenso wie die Verbreitung von Klischees. Werden den Redaktionen Bilder von dritter Seite zugeleitet, gilt es diese kritisch zu beleuchten, insbesondere auf deren genaue Herkunft hin und deren Authentizität. Im Zeitalter der Fake News besteht eine große Gefahr, dass Zeitungsverlage als Propagandainstrument missbraucht werden. Die Gefahr der Propagandawirkung kann eingeschränkt werden, indem diese Fotos auf Herz und Nieren im obigen Sinne untersucht werden. Bilder von Tätern, die sich als Heroen inszenieren, haben bei seriösen Redaktionen keinen Platz.
Gerade heute, in unserer digitalen Informationsgesellschaft, ist es wichtig, dieses notwendige Abwägen von Wirkung und Kontext von Bildern problembewusst vorzunehmen. Sind wir uns im Klaren: es gibt Grauzonen! Das heißt, man kann die Wirkung von Bildern nur prognostisch abschätzen. Trotz aller sorgfältiger Journalistenarbeit kann es dazu kommen, dass die Wirkung eines Fotos dennoch von Teilen der Leserschaft als zu heftig empfunden wird oder gar gefakte Bilder durch die Gazetten unbewusst in Umlauf kommen.
Die Alternative wäre aber, auf die Verbreitung solcher Bilder von Terroranschlägen zu verzichten. Das wäre aber ein gehöriges Minus an Information für die Leser.
Eine Gesellschaft von mündigen Bürgern und Bürgerinnen kann das nicht wollen.