Ab Januar werden die USA wieder von einem Demokraten geführt. Nachdem Biden am Samstag laut Berichten des US-Senders CNN den Schlüsselstaat Pennsylvania für sich entscheiden konnte, steht der 77-Jährige als Sieger fest. 

Wird es Joe Biden gelingen, eine von Kulturkämpfen gespaltene Gesellschaft wieder zusammenzuführen? Das scheint mehr als fraglich. Veranschaulichen lässt sich das sehr gut am katholischen Glauben Bidens. Eigentlich müsste es ja stutzig machen: Da wird exakt 60 Jahre nach John F. Kennedy, dem ersten Katholiken im Weißen Haus, wieder ein Katholik ins Oval Office gewählt – doch die große Freude bleibt aus. Von Anfang an fremdelten weite Teile der katholischen Wählerschaft mit Biden. Zu progressiv sind dessen Ansichten zu den gesellschaftspolitischen Zankäpfeln wie Homo-„Ehe“, Abtreibung oder auch Einwanderung.

Vielleicht wird Joe Biden, wenn er ins Präsidentenamt eingeführt wird, in der Außenpolitik der Vereinigten Staaten einige Dinge verändern. Das hat er im Wahlkampf zumindest angekündigt. Er möchte etwa dem Klimaabkommen von Paris wieder beitreten und den Streit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (tagesschau.de) beenden. Das ist für Deutschland nicht unbedeutend.

Joe Biden stimmt die Amerikaner auf seine Präsidentschaft ein und ruft zur Einheit auf. Es sei an der Zeit, als Nation zusammenzukommen und zu heilen, sagte Biden am Freitagabend (Ortszeit) in Wilmington (boerse-online.de, 07.11.2020) im Bundesstaat Delaware. Es sei nicht einfach, aber man müsse es versuchen. Zorn und Dämonisierung müssten überwunden werden.

Sein Widersacher, Donald Trump, wird, solange es geht, versuchen, die Wahl, die er an den Urnen verloren hat, vor Gericht für sich zu entscheiden. Und wenn das – was so sein wird – nicht gelingt, wird er weiter auf Medien, Justiz und den Deep State schimpfen, der ihm den Wahlsieg gestohlen habe. Trumps Abwahl mag gelungen sein, die Entgiftung“ (taz.de) aber wird viel länger dauern.

Das Brückenbauen kann Joe Biden schon bei der Auswahl seines Kabinetts zeigen. Er wird eine Mischung finden müssen, mit der er die Linken seiner Partei nicht zu sehr enttäuscht und die Republikaner, mit denen er im Parlament zusammenarbeiten will, nicht vor den Kopf stößt.

Der „President elected“ weiß, dass es für ihn keine Strategie sein kann, auf Zeit zu spielen. Die Zwischenwahlen in zwei Jahren gehen traditionell zulasten der regierenden Partei, so dass der Wandel eher schwieriger als einfacher werden dürfte.

Der ehemalige Vize-Präsident steht für genau jenes Establishment, das die Bevölkerung satt hatte – und das Trump vor vier Jahren erfolgreich anprangerte. Biden mag als neuer Präsident moderatere Töne in der Außenpolitik anschlagen und das eigene Volk mehr einen als spalten. Aber eine Vision für die Zukunft Amerikas hat er erst mal nicht parat.

Insgesamt ist Amerika wieder kalkulierbarer geworden. Die deutsch-amerikanische Freundschaft kann an alte Zeiten anknüpfen. Frieden ist kein politisches Zufallsprodukt einer undurchschaubaren, impulsiven Macho-Außenpolitik. Die geostrategischen Interessen der USA werden wieder berechenbarer. Die Wiederbelebung der transatlantischen Allianz wird Putin und Xi Jinping nicht schmecken, denen ein zunehmend politisch vereinsamtes Europa gefallen haben dürfte.

Die Herausforderungen in den USA sind groß. Bidens Vorgänger hat so viele Probleme hinterlassen, dass man argumentieren könnte, seine Aufgabe sei nicht zu schaffen. Doch das sollte man anders sehen: Der Raum für schnelle Verbesserungen ist so groß, dass die Freude und der Optimismus über Joe Bidens Sieg berechtigt sind.

Jede Zeit hat ihre Helden. Congrats, Mister President!

 

Heute ist der 05. November 2020, 9:30 Uhr. Man muss dass erwähnen, denn die Ereignisse in Übersee überschlagen sich.

Wird das hier ein Abgesang für den POTUS? Oder ist das auch zu früh? Spricht der Supreme Court ein „Machtwort“ in nächster Zeit oder verschanzt sich Trump im Weißen Haus? Fragen über Fragen …

Vor 12 Stunden wurde ein angeblicher „Live Shot“ von einem vermeintlichen Umzugswagen vor dem Weißen Haus bei twitter geleakt. Trump auf der Flucht?

Geduld gehört kaum zu den Stärken Trumps, entsprechend leiden dürfte der Mann. Tatsächlich ließ sich der Präsident den ganzen Tag und Abend über nicht blicken (nzz.ch). Das ist ungewöhnlich, selbst wenn das Weiße Haus in diesen Tagen großräumig abgeriegelt ist. Man kann Trumps Verhalten als Resignation interpretieren. Vielleicht ist es aber auch nur Erschöpfung.

Das entschuldigt freilich nicht seinen verantwortungslosen Auftritt am frühen Mittwochmorgen, bei dem er sich frühzeitig und fälschlicherweise zum Wahlsieger erklärte, und seine Handvoll Tweets, in denen er die Integrität der Auszählung der brieflichen Stimmabgabe in Frage stellt und von Wahlbetrug spricht.

Joe Biden 264 . Donald Trump 214, 9:51 Uhr (google.com).

Wütend sind Trumps Unterstützer gegen die weitere Stimmenauszählung nach der Wahl auf die Straße gegangen. In den hart umkämpften Staaten Michigan und Arizona protestierten sie am Mittwoch vor Gebäuden, in denen Stimmen ausgezählt wurden (welt.de).

Ungeachtet dessen riefen Dutzende Demonstranten in Detroit „Stoppt die Auszählung!“ und „Stoppt die Abstimmung!“ – in Phoenix skandierten sie: „Stop the Steal!“. Ja, so nach dem Motto: „Unser Mann hat doch genug stimmen, hört auf zu zählen, bevor sich etwas ändert …“. Das ist kein Zeugnis menschlicher Intelligenz, geschweige denn ein solches demokratischen Stils.

Nachdem Donald Trumps Wahlkampfteam in mehreren Bundesstaaten juristische Schritte gegen eine weitere Stimmenauszählung eingeleitet hat, will Joe Biden sich wehren. Dafür bittet der Herausforderer um Spenden an den neu eingerichteten Biden Fight Fundum sicherzugehen, dass jede Stimme gezählt wird, wie Biden mitteilt (sueddeutsche.de). Zuvor hatten US-Medien berichtet, dass Donald Trump bei seinen Spendern für die anstehenden Rechtsstreitigkeiten rund um die Wahl um mehr Geld gebeten hat.

Was bitte sollen Anwälte vortragen?! Es gibt keinerlei Anzeichen auf Wahlbetrug bzw. „Stimmendiebstahl“. Muss sich jetzt auch die amerikanische Justiz noch mit Fake News herumschlagen? Man machte den Bock zum Gärtner!

Bei Falschbehauptungen zum Wahlbetrug ist eine doppelte Strategie zu erkennen: Trump streut Gerüchte und Misstrauen, beschädigt die Integrität der Wahlen, unterstellt seinen Gegnern Betrug, um im Falle einer Wahlniederlage diese möglicherweise nicht anzuerkennen(tagesschau.de, 02.11.2020).

Schon seit Wochen wird in den USA die Möglichkeit diskutiert, was passiere, wenn Trump das Resultat nicht anerkenne und das Weiße Haus nicht räumen werde. In Großstädten wurden bereits Schaufenster gesichert, aus Angst vor Ausschreitungen. Auch die Polizei ist in Alarmbereitschaft. 

Desinformation beeinflusst die Präsidentschaftswahlen deutlich. Die gegenseitigen Anschuldigungen der Spitzenkandidaten fielen kaum noch auf. Trump beispielsweise behauptete, die Demokratischen Partei wolle faktisch einen Sozialismus einführen, die private Krankenversicherung und das Fracking komplett abschaffen, was Joe Biden immer wieder zurückwies.

Die demokratischen Werte in Übersee sind in Gefahr. Die Vereinigten Staaten müssen aufpassen, dass sich nicht in einen „Orwell-Staat“ hineinrutschen, in welchem – bei aller Informationsflut – niemand mehr weiß, was man noch glauben kann und was nicht.

Möge der Bessere gewinnen!

Politische Kultur (abgekürzt: pK) bezeichnet allgemein das Verteilungsmuster aller Orientierungen einer Bevölkerung gegenüber dem politischen System als der Summe aller Institutionen (bpb.de). Zur politischen Orientierung zählen Meinungen, Einstellungen und Werte. Zum Bereich der politischen Kultur zählen auch Felder, die zunächst als unpolitisch erscheinen (Einstellungen zu Arbeit und Freizeit, religiöse Vorstellungen, Erziehungsstile und -ziele). Der Begriff wird in der Wissenschaft wertfrei verwendet, während der allgemeine Sprachgebrauch pK häufig als Synonym für guten politischen Stil nimmt.

Was ist los in den Vereinigten Staaten, gerade jetzt vor der Wahl?!

Überall in den USA laufen derzeit die Vorbereitungen für das Worst-Case-Szenario: Ausschreitungen, gewalttätige Auseinandersetzungen, Plünderungen – das alles hat das Land in diesem Jahr schon gesehen. Niemand weiß, was am 4. November passieren wird, doch alle wollen irgendwie gerüstet sein.

Die International Crisis Group, eine Organisation, die sich eigentlich mit der Vermeidung von Gewalt beschäftigt, hat in diesem Jahr zum ersten Mal einen Report über die USA veröffentlicht – und kommt zu einem beunruhigenden Schluss: „Die Brandstifter-Rhetorik von Präsident Donald Trump lässt darauf schließen, dass er Spannungen eher zusätzlich anfachen als sie beruhigen würde“ (handelsblatt.com).

Der POTUS hat vor Unruhen im Land nach der US-Wahl gewarnt. Falls nicht schnell ein klarer Wahlsieger feststehe, könnte „Chaos in unserem Land“ ausbrechen, sagte Trump bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Pennsylvania am Samstag, den 30.11.2020 (fr.de). 

Immer mehr Menschen in den USA empfinden politisch Andersdenkende als Feinde. Sie glauben, dass Konflikte nicht mehr über Kommunikation und Kompromisse, sondern über Gewalt gelöst werden müssen. Das gilt in erhöhtem Maße für die Rechten im Land, die oftmals ganze Waffenarsenale horten, sich das Recht auf diese Waffen unter keinen Umständen nehmen lassen wollen und zu vielem bereit sind, um ihr Weltbild zu verteidigen und durchzusetzen.

Das alles geschieht in einem politischen Klima, in dem vom Weißen Haus keine Besonnenheit zu erwarten ist. Donald Trump trägt dabei nicht allein die Schuld an dieser Situation.

Die Gräben in den USA werden seit Jahren tiefer, Ausschreitungen auf den Straßen gab es auch unter Barack Obama schon. Sechs Jahre später kämpft das Land jedoch nicht nur mit und gegen seinen strukturellen Rassismus, sondern hat vielfältige Krisen zu bewältigen. Millionen Menschen trifft die Corona-Pandemie und die daraus resultierende Wirtschaftskrise. Zugleich hat beides die Ungleichheit und Spaltung im Land deutlicher als jemals zuvor offengelegt.

Donald Trump weicht Fragen nach einer friedlichen Machtübergabe im Falle einer Niederlage am 3. November aus (zeit.de), feiert das verfassungsmäßige Recht auf die eigene Waffe. 

Niemand kann mit Sicherheit sagen, was in der Wahlnacht am 3. November und den Tagen danach in den USA passieren wird. Vieles wird von einem klaren Ergebnis abhängen. Das aber wiederum ist ob der vielen Briefwahlstimmen nicht so schnell zu erwarten. Möglich scheint nach Monaten der Krisen, Anspannung und Angst derzeit alles.

Dafür reicht am Ende ein einziger Schuss, eine Kurzschlusshandlung. Deeskalationsstrategien hat Donald Trump nicht im Gepäck. 

Die Vereinigten Staaten von Amerika wurden von Frankreich abgelöst, was das Feindbild Nummer 1 in der islamistischen Welt angeht. Man muss es ausdrücklich betonen: es geht um Islamismus, nicht um den Islam als Religion. Jenen hat der französische Präsident Macron in seinen Reden auch nicht angegriffen.

Was ist Islamismus? Woher kommt der Hass?

Es handelt sich um keine Ideologie des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Die Wurzeln des Islamismus liegen in der Konfrontation der Muslime mit den europäischen Kolonialmächten. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstand in Ägypten eine als Salafiya (bpb.de) bezeichnete islamische Reformbewegung. Mit der Gründung der Muslimbruderschaft in den 1920er Jahren entwickelte sich dann die erste islamistische Massenbewegung. Heute zeigt sich der Islamismus nicht nur in seiner gewalttätigen Ausprägung. Auch legalistische Gruppen trachten danach, einen islamischen Staat zu errichten.

Wer den Islamismus als rein religiöses Phänomen betrachtet, wird seinen Aufstieg nicht wirklich begreifen können. Ein Aufstieg, der durch das Versagen der politischen Eliten ermöglicht und durch anti- koloniales Denken sowie radikal interpretierte Koranverse befeuert wurde. 

Die neue Dimension spiegelt sich in der Selbsteinschätzung des IS wider. Kritiker argumentieren zwar, die Organisation sollte nicht „Islamischer Staat“ genannt werden, da sie keinen Staat beherrsche, schon gar keinen „islamischen“. Tatsächlich aber beschreibt der Name das Ausmaß des Phänomens recht treffend. Der IS beruft sich zweifelsohne auf den Islam – wenn auch auf dessen denkbar extremste Form. Er kontrolliert zudem nicht nur riesige Teile beider Länder und hat die von Briten und Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg geschaffenen nationalstaatlichen Grenzen de facto aufgelöst, sondern er hat dort ein Gebilde mit quasistaatlichen Strukturen errichtet.

Nach mohammedanischer Überlieferung herrscht ein ständiger Zank zwischen dem Haus des Islam(Dar al-Islam), jenen Regionen, wo die Muslime bereits regieren, und dem Haus des Krieges (Dar al-Harb). Strittig (SPON, 12.09.2001) ist hingegen, ob der Dschihad in jedem Fall eine militärische Intervention bedeutet oder lediglich die Missionierung der Ungläubigen.

Der Prophet Mohammed hatte den Dschihad im 7. Jahrhundert (wikipedia.org) ursprünglich ausgerufen, um den jungen islamischen Staat auf der arabischen Halbinsel gegen die heidnischen Beduinen zu festigen. Nur selten entartete danach der Dschihad zum Missionskrieg. Ausgerufen werden kann der Dschihad sowohl von den politischen Herrschern als auch von einem einzelnen Gläubigen. Nahezu einig sind sich die traditionellen Rechtsgelehrten (SPON, a.a.O.) allerdings, dass Selbstmordattentate auf unschuldige Zivilisten nicht zu den Mitteln des Dschihad gehören. Mehr noch: Derlei Anschläge erlaube der Islam überhaupt nicht.

Das sehen fanatische Islamisten allerdings anders. Sie widersprechen den orthodoxen Koraninterpreten und sehen in Selbstmordanschlägen die höchste Form des Märtyrertums. Doch während es Selbstmordattentate erst seit den achtziger Jahren gibt, schwelt der Streit zwischen Traditionalisten und Islamisten über die richtige Interpretation des Korans schon über hundert Jahre.