Der Populismus-Vorwurf ist ein gern genutztes Mittel in der politischen Auseinandersetzung ist. Kaum ein Politiker, der nicht schon andere Parteien und Politiker bezichtigt hätte, populistische Forderungen zu verbreiten. Das soll den
politischen Gegner abwerten und die Ernsthaftigkeit und Realisierbarkeit seiner Forderungen in Abrede stellen. Die mit dem Populismus-Vorwurf einhergehenden Assoziationen reichen von Stammtisch-Niveau bis hin zu Demagogie. Der angebliche Populist zielt in dieser Sichtweise darauf ab, die Gunst der Massen zu erringen, indem er Versprechungen macht, ohne auf deren Umsetzbarkeit zu achten (bpb.de). Versteht man Populismus in diesem Sinne vor allem als ein Stilmittel, das auf eine größtmögliche mediale Aufmerksamkeit abzielt, so kann man den Populismus-Vorwurf durch Politiker selbst als „populistisch“ bezeichnen. Die Wahl Donald Trumps 2016 als US-Präsident und der Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 zeigten, dass populistischen Parolen gefährliche Handlungen folgen können. Nicht nur in den USA, auch in Europa ist Populismus ein Thema: Die Entscheidung der Briten, die Europäische Union zu verlassen, der Aufstieg der AfD in Deutschland sowie nicht zuletzt die Etablierung nationalpopulistischer Regime in Ungarn und Polen haben eine intensive Debatte über den Populismus entfacht. Strittig ist insbesondere, wie das Phänomen Populismus zu bewerten ist. Populismus (lat. populus: das Volk) erkennt den Pluralismus nicht an. Populisten behaupten, das Volk wäre eine homogene Einheit, obwohl wir eine vielfältige Gesellschaft sind. Sie behaupten außerdem, den „einzig richtigen Volkswillen“ zu kennen (lpb-bw.de). Sie selbst – und eben nur sie selbst – beanspruchen, diesen Volkswillen zu vertreten. Andere Meinungen sind aus populistischer Perspektive nicht einfach andere Meinungen, sondern ein Verrat am Volk. Dieser Anspruch ist in
seinem Kern antipluralistisch und damit antidemokratisch: Nur ganz bestimmte Lebensentwürfe und politische Positionen finden Anerkennung. Rechtspopulismus ist eine politische Strategie, die auf Polarisierung, das Schüren von Ängsten sowie Ab- oder Ausgrenzung setzt. Sie wird in erster Linie von den politischen Parteien genutzt. Für rechtspopulistische Parteien gibt es nur ein striktes Entweder-oder: jemand wird zur eigenen Gruppe gezählt oder der Gruppe „der Anderen“ zugerechnet. Die eigene Gruppe wird dabei als homogen betrachtet. Linkspopulismus betreibt in erster Linie Kapitalismuskritik (Politik-lexikon.at). Er betont ebenfalls den Gegensatz zwischen „oben“ („die kapitalistischen Eliten“ bzw. „Ausbeuter“) und unten („wir“, „das Volk“, „die Unterdrückten“). Anders als beim Rechtspopulismus gibt es aber nicht den Gegensatz „innen“ und „außen“. Jeder Mensch, der sich den Zielen der Kapitalismuskritik unterordnet, kann dazugehören – unabhängig von Herkunft und Staatsbürgerschaft. In diesem Sinne gibt es im Linkspopulismus kaum Phänomene wie Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus. Der Fluch des Populismus, die Sehnsucht nach einfachen Strukturen und Lösungen. Denkfaulheit? Oder liegt es in unseren Genen, immer die einfachste Lösung zu suchen? Aber kann man Populismus überhaupt messen? Forscher haben vor fünf Jahren 3.400 Wahlberechtigten acht Statements vorgelegt (fr.de, 01.10.2018), darunter beispielsweise: „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht.“ Oder: „Was man in der Politik Kompromiss nennt, ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Verrat der eigenen Prinzipien.“ Wer allen acht Aussagen zustimmte, wurde als Populist eingeordnet. Das ist wohl zu einfach …