Die Linksfraktion ist mit einer Klage gegen den Bundestag wegen dessen Rolle beim vorläufigen Start des europäisch-kanadischen Handelsabkommens CETA gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wies ihren Antrag als unzulässig ab. Die Fraktion habe weder eine mögliche Verletzung ihrer eigenen Rechte noch von Rechten des Deutschen Bundestags substanziiert dargelegt, sagte Vizegerichtspräsidentin Doris König bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe (Az.: 2 BvE 4/16).
Die Linke-Abgeordneten hatten beanstandet, dass der Bundestag im September 2016 auf Antrag von CDU/CSU und SPD zu CETA nur eine Stellungnahme und kein Gesetz beschlossen hatte. In dieser Stellungnahme erlaubte der Bundestag der Bundesregierung unter bestimmten Voraussetzungen, im EU-Rat die vorläufige Anwendung von CETA zu unterzeichnen. Die Linke sah dadurch das Grundgesetz verletzt. Es sei nicht sichergestellt, dass die EU nicht außerhalb ihrer Kompetenzen handle.
Knapp 98 Prozent der Zölle zwischen den beiden Volkswirtschaften der EU und Kanada werden mit dem geplanten Handelsabkommen CETA abgebaut. Das schafft neue Absatzmöglichkeiten für Waren und Dienstleistungen auf beiden Seiten des Atlantiks: Nicht nur für industrielle Produkte, sondern auch für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Anbieter von Dienstleistungen wie etwa im Post- und Telekommunikationsbereich werden mit CETA einen vereinfachten Marktzugang haben und auch im Bereich der Seeschifffahrt hat sich Kanada auf einigen Teilstrecken geöffnet (bmwi.de).
Der Entscheidung vorangegangen war eine grundlegende Frage. Gemäß Art. 23 Grundgesetz trifft den Bundestag eine Integrationsverantwortung, das heißt, er wirkt in Angelegenheiten der Europäischen Union mit. Daraus ergebe sich „das Recht, zugleich aber auch die Pflicht des Parlaments, seine Integrationsverantwortung effektiv wahrzunehmen“, betont das BVerfG. Was genau muss der Bundestag dafür tun?
Die Koalition aus CDU, CSU und SPD hatte am 22. September 2016 eine Stellungnahme zur vorläufigen Anwendung von CETA verabschiedet. Darin forderte der Bundestag die Bundesregierung unter anderem dazu auf, das Parlament zu Angelegenheiten im Zusammenhang mit CETA weiterhin umfassend und frühzeitig zu informieren. Außerdem solle CETA als gemischtes Abkommen auf den Weg gebracht werden, das sowohl von der EU wie auch den Mitgliedstaaten abgeschlossen wird – so kommt es zu dem laufenden Ratifizierungsverfahren. Zudem sollte die Bundesregierung Ausnahmen von der vorläufigen CETA-Anwendung vereinbaren, insbesondere im Bereich des Investitionsschutzes.
Nach Ansicht der Linken reichte das nicht aus. Erforderlich war ihrer Auffassung nach vielmehr ein förmliches Gesetz, also ein Mandatsgesetz, das der Bundesregierung vorschreibt, wie sie sich in den Verhandlungen und bei der Abstimmung im Rat zu verhalten hat. Zugleich betonten die Abgeordneten der Linken, dass sie die vorläufige Anwendung von CETA für einen Ultra-vires-Akt halten: Die EU handele außerhalb ihrer Kompetenzen.
Hier hakte der Zweite Senat in seinem am Dienstag veröffentlichten Urteil ein. Sollte es sich um einen Ultra-vires-Akt handeln, hätte ein förmliches Gesetz auch nicht weitergeholfen, befanden die Verfassungsrichter/-innen. Das Grundgesetz kenne gerade „kein Mandatsgesetz, das eine Inanspruchnahme von Hoheitsrechten durch die Europäische Union oder andere zwischenstaatliche Einrichtungen ultra vires legitimieren könnte“ (lto.de).
Anders ausgedrückt: Nimmt die EU Hoheitsrechte war und überschreitet dabei die ihr vertraglich eingeräumten Kompetenzen oder berührt die Verfassungsidentität, dann handelt sie verfassungswidrig. Ein solches Handeln kann das Parlament aber nicht im Vorhinein legitimieren. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber dürfe die Bundesregierung schon gar nicht dazu ermächtigen, einem Ultra-vires-Akt zuzustimmen.