Die EU wollte eigentlich ein 1,8 Billionen Euro schweres Finanzpaket für die kommenden sieben Jahre beschließen. Doch die beiden Mitgliedstaaten Ungarn und Polen haben ihr Veto eingelegt – aus Protest gegen eine Verpflichtung zur Rechtsstaatlichkeit (nzz.ch).
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und Polens „starker Mann“ (SPON) Jaroslaw Kaczynski haben verhindern, dass die Auszahlung von EU-Geldern künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards gebunden sein soll. Die Zustimmung zu einem solchen Mechanismus sollte in einer Rechtsgemeinschaft wie der EU eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Allein die Tatsache, dass die anderen EU-Staaten und das Europaparlament ihn überhaupt für notwendig halten, spricht Bände über den Zustand des Rechtsstaats in manchen EU-Ländern.
Die beiden Regierungen missbrauchen den EU-Haushalt und die Coronakrise, um den Rest der EU zur Aufgabe des Rechtsstaatsmechanismus zu zwingen. Das ist politischer Vandalismus, der nicht nur die Pandemieopfer in Italien oder Spanien, sondern auch die Bevölkerungen Polens und Ungarns schädigt.
„Jetzt rächt sich, dass die Regierungen in Polen und Ungarn so lange mit Samthandschuhen angefasst worden sind. Sowohl von der Kommission als auch vom Rat – vor allem aber auch von der konservativen Parteienfamilie, wo die Fidesz von Viktor Orban immer noch Mitglied ist“ (Katarina Barley, SPD-Europaparlamentarierin und Vizepräsidenten des Europaparlaments).
Die deutsche Ratspräsidentschaft hat es nun bewusst zum diplomatischen Eklat in Brüssel kommen lassen, um zu zeigen, wo die Fronten verlaufen. Ein offenes Veto durch Ungarn und Polen gegen einen Etat, der aus der Corona-Krise führen soll, wird als Affront gewertet. Der eigentliche Rechtsstaats-Mechanismus wurde gegen die Stimmen Ungarns und Polens verabschiedet. Weil sie das nicht verhindern konnten, stimmten Ungarn und Polen hilfsweise gegen den sogenannten „Eigenmittel-Beschluss“, der es der EU-Kommission erlauben würde, Kredite für den Corona-Hilfsfonds aufzunehmen (dw.com). Der Eigenmittelbeschluss kann nur einstimmig gefasst werden.
Der rechtsnationalistischen Regierung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban wird seit Jahren vorgeworfen, demokratische Grundprinzipien aufzuweichen. Die meisten EU-Länder wollen daher Auszahlungen unter anderem an die Unabhängigkeit der Gerichte und der Medien knüpfen – und dürften diesen Punkt auch nicht neu verhandeln wollen.
Auch Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sagte (zdf.de), Europa sei in einer wichtigen Phase, und Polen könne so zeigen, dass es seine Souveränität nicht einschränken lassen wolle.
Zur europäischen Integration gehört die Garantie, dass sich kein politisches Subordinationsverhältnis zwischen Brüssel und den Mitgliedstaaten entwickeln würde. Im Gegenteil, die EU-Kommission hat die vornehmliche Aufgabe, die Einhaltung der europäischen Verträge zu überwachen. Sie war die Hüterin der Verträge, nicht aber Schöpferin und Gestalterin des Primärrechts. Zahlreiche Instrumente, insbesondere die Subsidiaritätsrüge haben diesen Grundsatz zusätzlich für das legislative Handeln im Sekundärrecht abgesichert.
Für die Länder, die mit der Osterweiterung Mitglied der EU geworden sind, gilt nichts anderes (welt.de). Die Osterweiterung war kein Gnadenakt Westeuropas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Es war vielmehr ein langer Verhandlungs- und Anpassungsprozess im gegenseitigen wirtschaftlichen wie politischen Interesse.