Vier Monate vor dem Auslaufen des letzten großen Atom-Abrüstungsvertrags mit den USA hat Russlands Präsident Wladimir Putin eine bedingungslose Verlängerung des New-Start-Abkommens um mindestens ein Jahr vorgeschlagen. Diese Zeit könne für „sinnvolle Verhandlungen über alle Einzelheiten“ genutzt werden, sagte er bei einer Videokonferenz seines Sicherheitsrates in Moskau (tagesschaut.de). Es wäre schade, wenn dieser Vertrag nicht mehr existierte. Das Abkommen läuft im Februar aus, wenn beide Seiten sich nicht auf eine Verlängerung einigen.
Die US-Regierung lehnte den Vorstoß Putins ab. Der Vorschlag sei „ein Rohrkrepierer“, teilte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, Robert O’Brien, mit. Man hoffe, dass Russland seine Position neu bewerten werde, bevor ein kostspieliges Wettrüsten einsetze.
New Start ist das letzte verbliebene nukleare Abrüstungsabkommen der USA mit Russland. Es schreibt eine Verringerung der nuklearen Arsenale der beiden Länder auf je 800 Trägersysteme und 1.550 einsatzbereite Atomsprengköpfe vor. Das sind etwa 30 Prozent weniger, als im Vorgängervertrag Sort vorgesehen war.
Die USA und Russland besitzen zusammen rund 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen. Putin sagte, das Abkommen habe in den vergangenen Jahren seine Hauptaufgabe erfüllt: das Wettrüsten einzuschränken und Waffen zu kontrollieren.
US-Präsident Trump war bestrebt, vor der US-Wahl ein Abkommen mit Putin zu erzielen. Es gab Treffen, zuletzt Anfang Oktober in der finnischen Hauptstadt Helsinki. Trumps Verhandlungsführer, Marshall Billingslea, sagte später, es sei im Grundsatz Einigung erzielt worden, das Abkommen zu verlängern. Details seien zu klären, doch gebe es ein „gentleman’s agreement“ darüber, die Anzahl der gelagerten Sprengköpfe – also der nicht mit Raketen, U-Booten oder Flugzeugen einsatzbereit gehaltenen – zu deckeln. Das wäre etwas Neues, denn über solche gelagerten Sprengköpfe trifft das Abkommen keine Regeln. An diesen Waffen entzünden sich Sorgen um ein neues Wettrüsten. Aber Moskau wies die amerikanische Darstellung zurück (faz.net). Der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow beschrieb sie als Washingtoner Wunschdenken, stellte klar, Moskau werde auch die Zahl seiner taktischen Waffen nicht begrenzen. Bei diesen hat Russland einen zahlenmäßigen Vorteil.
Trumps Herausforderer, Joe Biden, hatte angekündigt, er sei für eine Verlängerung von New Start um fünf Jahre. Bidens Leute heben das Risiko hervor, dass der letzte große Rüstungskontrollvertrag scheitert. Im vergangenen Jahr hatten erst Washington und dann Moskau den INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen gekündigt; er lief im August 2019 ersatzlos aus. Auch europäische Nato-Partner Amerikas hatten beklagt, dass Russland den Vertrag durch Stationierung einer als Kurzstreckenrakete ausgegebenen Mittelstreckenrakete missachte. Mehrmals hatte die amerikanische Seite danach behauptet, China sei grundsätzlich bereit, sich an Beratungen über einen mindestens trilateralen Folgevertrag zu beteiligen. Bisher hat sich hier nichts bewegt.
Peking (androidkosmos.de) lehnt eine Teilnahme an den Gesprächen mit der Begründung ab, sein nukleares Arsenal sei wesentlich kleiner als das von Russland und den USA. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri verfügen die USA und Russland zusammen über rund 38 Mal so viele Atomsprengköpfe wie China.