Fast vier Jahre ist es her, dass das Ceta-Freihandelsabkommen zwischen Kanada und der EU mit viel Pomp unterzeichnet wurde. Ceta sei „das umfassendste, ehrgeizigste und fortschrittlichste Abkommen, das je von Kanada oder von der Europäischen Union ausgehandelt wurde, und wird eine neue Dimension für unsere wirtschaftliche Partnerschaft eröffnen“, erklärten beide Vertragspartner in einer gemeinsamen Erklärung. Ceta werde nachhaltiges und integratives wirtschaftliches Wachstum liefern und die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern.
Vollständig in Kraft ist das Freihandelsabkommen immer noch nicht. Zwar stimmte das Europaparlament Anfang 2017 dem Vertrag zu, doch ist er noch nicht von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert. In Deutschland ist dies mittlerweile auch eine juristische Frage. Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sind gleich mehrere Klagen anhängig. Eine Klage der Linksfraktion im Bundestag wurde am 13. Oktober 2020 verhandelt (Az.: 2 BvE 4/16). Die Fraktion will von den obersten Richtern des Landes klären lassen, ob eine Stellungnahme des Bundestages zum Freihandelsabkommen das Grundgesetz verletzte. Der Bundestag sei zu vage gewesen und habe der Regierung eine „Blankovollmacht“ ausgestellt, heißt es in der Klage.
Im sogenannten Organstreitverfahren entscheidet Karlsruhe Konflikte zwischen obersten Bundesorganen über ihre Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz. Auch einzelne Bundestagsabgeordnete oder Fraktionen können klagen. Hier aber mache die Linksfraktion geltend, dass der Bundestag Rechte des Bundestags verletzt habe, wie Richter Peter Müller (faz.net) das Problem auf den Punkt brachte. König sagte, die Mehrheit sei nun einmal zu einer gegenteiligen Rechtsauffassung gekommen.
Ein Erfolg ist damit zumindest fraglich. Allerdings sind in Karlsruhe noch etliche Verfassungsbeschwerden gegen Ceta anhängig, auch eine zweite Organklage der Linksfraktion gegen die Bundesregierung.
Der Bundestag hat Mitwirkungsrechte, wenn zum Beispiel Kompetenzen von nationalen auf EU-Institutionen übertragen werden. So muss die Bundesregierung eine Stellungnahme ihren Verhandlungen auf europäischer Ebene zugrunde legen. In dem Karlsruher Verfahren soll nun geklärt werden, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen mit dieser sogenannten Integrationsverantwortung verbunden sind.
Das Handelsabkommen regelt den Wegfall eines großen Teils der Zölle. Es gibt aber mehrere strittige Punkte. Vollständig in Kraft treten kann Ceta erst, wenn alle EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifizierten. Deutschland wartet hierzu die Entscheidungen aus Karlsruhe ab.
Am Dienstag ging es in Karlsruhe ausschließlich um die Rolle des Bundestages in der Angelegenheit.
Möglicherweise werden diese inhaltlichen Fragen aber gar nicht mehr entscheidend sein. Denn die Richter des Zweiten Senats unter Vizegerichtspräsidentin Doris König haben Zweifel, ob die Klage der Linken überhaupt zulässig ist (lto.de), wie das Gericht darstellte.
In Zeiten einer unberechenbaren Trump-Regierung in den USA kann Europa andere
Verbündete jenseits des Atlantiks gut gebrauchen. Kein Wunder also, dass der damalige EU-Ratspräsident Tusk schon im Sommer letzten Jahres beim Treffen mit Premier Trudeau Kanada als „unseren engsten transatlantischen Partner“ bezeichnete (handelsblatt.com, 18.07.2019).