Wenn alles läuft, wie es sich die Sozialdemokraten in ihren kühnsten Träumen ausmalen, dann treiben sie die Konkurrenz nun 14 Monate lang vor sich her, vermitteln den Bürgern einen klaren Kurs, während CDU und CSU über ihren Kanzlerkandidaten fachsimpeln und die Grünen sich nicht zwischen Herrn Habeck und Frau Baerbock entscheiden können.
CSU-Chef Markus Söder hat geäußert. „Kein Mensch in Deutschland hat Verständnis dafür, dass wir jetzt über Wahlkampf reden“, so der bayerische Ministerpräsident. Scholz‘ frühe Nominierung sei „verheerend für die weitere Zusammenarbeit zum Thema Corona-Bekämpfung“ (t-online.de).
Die SPD will Vizekanzler Olaf Scholz zu ihrem Kanzlerkandidaten küren. „Olaf hat den Kanzler-Wumms“, schrieben die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Montag auf Twitter (welt.de). Scholz selbst erklärte, er freue sich auf einen „tollen, fairen und erfolgreichen Wahlkampf in einem starken Team“.
Was soll das Ganze?
So viel Entschlossenheit haben wohl nur Wenige der so oft taumelnden und zaudernden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zugetraut: Finanzminister Olaf Scholz soll für sie das Kanzleramt erobern. Überraschend ist weniger die Personalie. Einen Besseren findet die Partei nicht. Bemerkenswert ist vielmehr der Zeitpunkt, denn der nächste Bundestag wird erst im Herbst 2021 gewählt. Es sei denn, die Koalition mit Angela Merkels Christdemokraten (CDU) und deren bayrischer Schwesterpartei CSU platzt vorher noch. Doch damit ist überhaupt nicht zu rechnen.
Scholz´ Problem und das seiner Partei: Die SPD verharrt trotzdem im Umfragetief. Im aktuellen Deutschlandtrend kommt sie auf frustrierende 15 Prozent (dw.com). Und auf diesem Niveau bewegt sie sich seit über einem Jahr. Von einem Corona-Bonus dank Scholz kann also keine Rede sein. Mit dem inzwischen chronisch fehlenden Rückhalt in der Bevölkerung überhaupt noch einen Kanzlerkandidaten aufzustellen, mutet fast schon komisch an. Es ist aber auch mutig, weil die SPD für Klarheit sorgt – nach innen und nach außen.
Ab sofort ist die SPD zugleich Regierungs- und Oppositionspartei – und Olaf Scholz begibt sich als Finanzminister und zugleich konkurrierender Kanzlerkandidat auf eine „politische Rutschbahn“ (zdf.de), die ihn immer mehr vom einen ins andere Lager befördern wird.
Das wird eine bemerkenswert schiefe Ebene, da die SPD am Wochenende klar gemacht hat, dass sie ein Regierungsbündnis mit den Linken nicht ausschließt, auch – falls nötig – unter Führung der Grünen.
Die Genossen schicken den Mann ins Rennen ums Kanzleramt, den sie an der Spitze der SPD nicht wollten.
Scholz wird sicher kein Kandidat sein, der mitreißt. Nüchterne Sachlichkeit ist sein politisches Kapital, Angela Merkel immerhin ist damit seit mehr als 14 Jahren im Amt.