Es ist bei uns in Europa üblich: Bei der Begrüßung gibt man sich die Hand. Genannt wird es der “Händedruck” oder das “Händeschütteln”.

Es war üblich … Seit Corona gelten wegen der Ansteckungsgefahr andere Regeln, “Lasst es!”. Wo kommt das Shake Hands eigentlich her? Warum machen wir das?

Höflichkeitsregeln und Grußrituale waren Schutzmaßnahmen gegen Gewalt in einer gefährlichen Gesellschaft. Sie stammen aus Zeiten, in denen kein staatliches Gewaltmonopol die Kontrolle über das Alltagsleben ausübte und ein ständiger Kampf aller gegen alle herrschte. Da jeder Mitmensch entweder Freund oder Feind war, mussten die Verhaltensweisen und Gesten deutlich zeigen, zu welcher Gruppe der Betreffende gehörte (Ari Turunen, finnischer Journalist).

Was heute absurd anmutet, war in Zeiten wie dem Mittelalter eine berechtigte Sorge. Auch wenn die katholische Kirche Nächstenliebe predigte und die tierische Natur des Menschen zu zähmen versuchte, zählten Menschenleben in dieser Epoche nur wenig. So wie die frühe Neuzeit war das Mittelalter eine der gewalttätigsten Phasen der Geschichte. Es herrschte der Ritter mit dem Schwert, nicht der Mönch mit dem Federkiel. Und in den Jahrhunderten danach dominierte eine in heutigen Augen makabre und abstoßende Faszination für Folter und drakonische Strafen. Gewalt war Schauspiel und wurde öffentlich zelebriert.

Mit dem Händeschütteln gingen Menschen nicht nur Freundschaften ein, sondern vereinbarten auch Geschäfte. Das “Hand drauf“ als Vorstufe der Unterschrift verweist auf die Welt der Wirtschaft und ist als Formulierung heute noch gebräuchlich. Das Händeschütteln war in der Vergangenheit auch ein Protest gegen Affektiertheit, gegen eine ausufernde Selbstdarstellung, gegen das Überbetonen von Rang- und Standesunterschieden. Die englischen Quäker, eine Variante des Protestantismus, wollten sich im 17. Jahrhundert nicht vor anderen verbeugen, niederknien und den Hut ziehen. Das Händeschütteln empfanden sie als christlich schlichte, angemessene Art der Begrüßung in einer Gemeinschaft von Gleichberechtigten.

Bereits im Römischen Reich war die Tradition des Händeschüttelns bekannt. Auf römischen Münzen lässt sich das Händeschütteln als Symbol der Eintracht wiederfinden. In der Zeit der Republik war die Geste nur bei einem Wiedersehen nach längerer Abwesenheit oder als Ausdruck besonderer Verbundenheit üblich. Erst in der Kaiserzeit wurde sie gängiger (wikipedia.org). Im Neuen Testament wird im Brief des Paulus an die Galater (ca. 50 n. Chr. verfasst) erwähnt, dass Paulus beim Abschied in Jerusalem die “rechte Hand der Freundschaft“ gereicht wurde.

Der evolutionäre und kulturelle Ursprung des Händeschüttelns liegt im Dunkeln. Bei Schimpansen gibt es den “Grooming Handclasp”: Beide sitzen sich gegenüber, und jeder von ihnen reckt einen seiner Arme empor. Beide Affen greifen sich oben in die Hände und unterstützen sich so gegenseitig, während sie gegenseitig Fellpflege betreiben (deutschlandfunk.de, 15.12.2016).

2017 hatte der damalige Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) das Händeschütteln in seinen Zehn-Punkte-Katalog für eine deutsche Leitkultur hineingeschrieben.

Und jetzt das Virus … Also mindestens ein, besser zwei Meter Abstand halten und auf alle Begrüßungsrituale wie Händeschütteln und Umarmungen verzichten. Und natürlich gilt immer: konsequent Hände waschen!

Bin gespannt, was Freiherr Knigge aus der Coronakrise machen wird. Was bleibt nach der Pandemie von unseren Begrüßungsritualen üblich?

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