In Frankreich gilt seit Dienstagmittag eine Ausgangssperre. Wer seine Wohnung verlassen will, muss seither ein Formular mit sich führen. Dort müssen Name, Adresse, Geburtsdatum und der Grund für den Schritt vor die Haustür mit einer Unterschrift bezeugt werden. Erlaubt sind Einkäufe, Arztbesuche, die Unterstützung Hilfsbedürftiger, das Ausführen von Haustieren sowie sportliche Betätigung – allerdings allein und in der Nähe des Wohnorts. Auch Personen, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, dürfen weiterhin an ihren Arbeitsort. Busse und die Metro verkehren weiter.
Rund 100 000 Polizisten und Gendarmen sind damit betraut, die Einhaltung der Ausgangssperre zu überwachen. Bei Verstoß können sie Bussen von zunächst 38 und später 135 Euro verteilen; das ist deutlich weniger als in Spanien oder Italien. Die Regierungssprecherin sagte am Dienstag, man setze zunächst darauf, dass die Präsenz der Polizisten eine disziplinierende Wirkung habe, ähnlich wie bei Geschwindigkeitskontrollen im Verkehr.
Freiheit in Schranken … Ein bisschen mulmig wird einem schon in solchen Situationen. Vor fast 71 Jahren wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik verabschiedet. Seitdem genießen die Deutschen unabänderlich: die Freiheit, sich zu versammeln, ihre Religion auszuüben in Gottesdiensten, die Freizügigkeit, zu gehen, wohin sie möchten. All das wird nun eingeschränkt, so massiv wie nie zuvor.
1968 wurde das Grundgesetz geändert, um im Notfall, etwa “zur Bekämpfung von Seuchengefahr”, Grundrechte beschränken zu können. Notstandsgesetze hieß das und es stieß auf Widerstand. Steine flogen, Polizisten knüppelten und am 11. Mai protestierten 50.000 Menschen im Bonner Hofgarten vor der Universität. Die Wiese dort dient seit dem Wegzug der Regierung nach Berlin eher der Naherholung der Studenten.
Noch hat die Verbotsliste der Bundesregierung und der Bundesländer viele Ausnahmen: Daher sind weitere Verschärfungen in den kommenden Tagen denkbar, geradezu sicher – man blicke nur nach Frankreich, Italien oder Spanien. Da gibt es inzwischen richtige Ausgangssperren. Und nur eine bestimmte Anzahl Menschen darf gleichzeitig in die Märkte zum Einkaufen. Zustände, die ich nur von Erzählungen meiner Eltern und Großeltern aus der unmittelbaren Nachkriegszeit kenne.
Das alles will niemand, und es kann – wenn überhaupt – auch nur eine vergleichsweise kurze Zeit funktionieren. Seien wir also ehrgeizig: Wir müssen versuchen, es ohne noch mehr Verbote zu schaffen, indem wir bestehende Regeln endlich ernst nehmen. Ja, wir alle zahlen dieser Tage einen hohen Preis mit der Einschränkung unserer Freiheit. Einen deutlich höheren Preis zahlen aber alle die, deren wirtschaftliche Existenzen durch diesen Ausnahmezustand zerstört werden. Ihre Zahl wird umso kleiner sein, je kürzer dieser Zeitraum bleiben kann.
“Wir sind im Krieg” (tagesspiegel.de) war das wohl bisher stärkste Bild, das in diesem Zusammenhang genutzt wurde, und es kam vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. “Wir kämpfen weder gegen Armeen noch gegen eine andere Nation. Aber der Feind ist da, unsichtbar – und er rückt vor“, beschrieb er die Bedrohung, die durch das neue Virus entstanden sei.
Macron leitete damit eine weitere Verschärfung der schon bestehenden Restriktionen in seinem Land ein, nach Italien und Spanien gilt nun auch in Frankreich eine Ausgangssperre für die Bürger – unter anderem in Österreich ist das öffentliche Leben schon sehr stark eingeschränkt.
Es wirkt, als sei vielen nicht bewusst, um was es tatsächlich geht. Sollte sich das Virus unkontrolliert ausbreiten und je unvernünftiger die Menschen damit umgehen, desto wahrscheinlicher wird der Lockdown, werden die Kliniken bald an ihre Grenzen kommen. Niemand weiß im Moment wirklich, wie viele Menschen sich in Deutschland schon angesteckt haben. Die Fallzahlen hinken dem tatsächlichen Verlauf hinterher, die Dunkelziffer ist nach Ansicht der Fachleute enorm.