„Rien ne va plus – nichts geht mehr“, so das ZDF. Geht es nach dem Willen der Klima-Aktivisten der „Extinction Rebellion“ (Rebellion gegen das Aussterben, kurz: XR) gilt das für ganz Berlin. Unter dem Motto „Aufstand gegen das Aussterben“ hat die Bewegung dazu aufgerufen, zu Tausenden die Straßen und Plätze in der deutschen Hauptstadt „gewaltfrei, friedlich, kreativ, bunt und entschlossen“ (zdf.de) zu blockieren.
Die Aktionen sollen mindestens eine Woche lang andauern. Wie genau die Bewegung dabei vorgeht, soll erst wenige Minuten vor Beginn der größtenteils unangemeldeten Aktionen bekannt gegeben werden. Zu den Blockaden erklärt die Gruppe: „Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf, der unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir setzen den Protest so lange fort, bis die Regierungen angemessen reagieren“ (wr.de).
In Berlin wollen die Aktivisten heute mit einem Marsch gegen das Artensterben aufmerksam machen. Mittags soll es dann auch am Potsdamer Platz eine zentrale Veranstaltung geben, von der aus weitere Aktionen ausgehen sollten. Zur gleichen Zeit soll an einem zunächst nicht bekannt gegebenen Ort im Regierungsviertel eine pinke Arche aufgestellt werden, die an das Artensterben erinnern soll.
Frust und Enttäuschung über das im September vorgestellte Klimapaket der Bundesregierung, haben offenbar dazu beigetragen, dass sich nun auch ein Teil der Kulturschaffenden des Landes in Klimafragen radikalisiert und sich mit den Zielen und Protestformen der „Extinction Rebellion“ solidarisch erklärt.
Anders als Greta Thunbergs Bewegung „Fridays for Future“ sind die Aktivisten von „Extinction Rebellion“ bereit, Gesetze zu brechen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Legale Demonstrationen und parlamentarische Prozesse hätten in den vergangenen 30 Jahren nicht zu den nötigen Veränderungen im Klimaschutz geführt. Dabei betonten sie allerdings stets, dass sämtliche Aktionen friedlich ablaufen sollen. Dafür sollen Mediatoren sorgen, deren Aufgabe es ist, Konflikte zwischen den Aktivisten und anderen – zum Beispiel Polizisten und aufgehaltene Autofahrer – während der Aktionen zu vermeiden.
Die Forderungen der XR gehen über die Forderungen der Klimabewegung „Fridays for Future“ hinaus. Die Gruppe verlangt etwa, die „anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen“ bis 2025 auf Netto-Null zu reduzieren. Auf ihrer deutschen Website fordern sie unter anderem, die Regierungen sollen „die Wahrheit über die tödliche Bedrohung durch die ökologische Krise“ (rbb24.de, 30.09.2019) offenlegen.
Die Basis beider Bewegungen ist richtig. Das System gewinnbasierten Wirtschaftens muss infrage gestellt werden. Durch die Art, wie wir wirtschaften, wird global gesehen die Hälfte der Menschheit ausgebeutet. Diese Art zu leben kann keinen Bestand haben. Der „fossile Kapitalismus“ (Luisa Neubauer, „Fridays for Future“-Aktivistin, welt.de, 18.09.2019) wird in seiner jetzigen Form das 21. Jahrhundert nicht überleben.
XR wird auch als die „militante Schwester“ der „Fridays for Future“-Bewegung bezeichnet.
Die Proteste für Umweltschutz und Klimagerechtigkeit bestimmen vielerorts die Agenda der „Extinction Rebellion“. Aber selbst unter Progressiven stoßen nicht alle Aktionen auf Zustimmung. Sogar in Teilen der radikalen Linken Deutschlands wird die junge XR-Bewegung kritisiert. In vielen Fällen auch zu Recht: Die Besetzung der verbündeten Berliner LINKE-Zentrale war strategisch Quatsch, das Verständnis der Aktivist*innen von Gewaltfreiheit und Staatsmacht ist bestenfalls naiv und führt schlimmstenfalls zu unsolidarischem Verhalten. Die Bewegung versteht den Zusammenhang von Klimakrise und Kapitalismus kaum, und die soziale Frage scheint ihr egal. Ihr Weltuntergangs-narrativ wirkt verstörend.
Zudem gefährden die Aktivisten die breite Akzeptanz der Bewegung. Der Ärger über die Blockaden könnte sich auf die Sache übertragen und die Unterstützung für mehr Klimaschutz abnehmen. Das wäre fatal für unsere Gesellschaft und alle Erfolge, die „Fridays for Future“ bereits verzeichnen konnte. Thunbergs Bewegung ist ein beeindruckendes gesellschaftliches Phänomen, das später in den Geschichtsbüchern vorkommen wird.
Der Umweltbewegung droht jetzt die Spaltung.