Das Rettungsschiff der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch hat mit 40 Migranten an Bord im Hafen der italienischen Insel Lampedusa angelegt. Die Hafenpolizei ist informiert worden, dass das Schiff in den Hafen fahren werde. Die Kapitänin der Sea Watch 3, Carola Rackete, wurde von der Polizei nach dem Anlegen festgenommen. Anfangs war unklar, ob und wann die Migranten von Bord gehen durften, mittlerweile wurde genehmigt, dass sie an Land gehen konnten. Neben den Migranten sind 22 Besatzungsmitglieder und mehrere italienische Abgeordnete auf dem Schiff.

Seit Jahren streiten die EU-Länder über einen Mechanismus zur Verteilung der Bootsflüchtlinge. Italiens rechtspopulistischer Innenminister Matteo Salvini verlangte nun konkrete „Garantien“ der aufnahmebereiten Länder, bevor die Menschen von Bord des Schiffes gehen dürfen. Daneben sei die Regierung „entschlossen“, gegen jeden vorzugehen, der die Gesetze gebrochen habe.

Strittig ist, ob Italiens Innenminister Matteo Salvini (Lega) mit seinen Anordnungen zum Anlandeverbot gegen italienisches Recht sowie internationales Seerecht zur Rettung Schiffbrüchiger verstoßen hat, da das von Salvini erlassene Gesetzesdekret die Kompetenzen des Innenministers de facto über internationale Konventionen hinweghebt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies in seiner Entscheidung den „Antrag auf Anordnung vorläufiger Maßnahmen der Antragsteller in der Rechtssache Rackete und andere gegen Italien“ (“interim measure requested by the applicants in the case of Rackete and Others v. Italy”) ab, mit dem Rackete eine Anlegeerlaubnis in Italien durch den EGMR erreichen wollte, da es zu diesem Zeitpunkt keine Menschen mehr gegeben habe, die auf dem Schiff gefährdet gewesen seien: “The Court decides not to indicate an interim measure requiring that the applicants be authorised to disembark in Italy from the ship Sea-Watch 3” (deutsch: „Der Gerichtshof beschließt, keine einstweilige Anordnung zu erlassen, die vorsieht, dass die Antragsteller von dem Schiff Sea-Watch 3 in Italien ausschiffen dürfen.“) (zeit.de 25.06.2019, Presseaussendung ECHR 240 (2019) des Kanzlers des Europäischen Gerichtshofs, vom 25.06.2019, Website des EGMR, abgerufen am 1. Juli 2019).

Was jetzt? Muss ein Kapitän in einem Seenotfall helfen oder nicht?

Antwort: Ja, jeder Kapitän ist zur Seenotrettung verpflichtet. Er muss unverzüglich Hilfe leisten, sonst macht er sich strafbar, wobei das Strafmaß für unterlassene Hilfeleistung bis zu zehn Jahre Haft betrafen kann. Dies wurde in drei internationalen Abkommen manifestiert: Im Internationalen Abkommen über die Seenotrettung, dem Internationalen Abkommen zum Schutz menschlichen Lebens auf See und der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen.

Was ist mit dem Vorwurf, die Kapitänin solle die Flüchtlinge zurück nach Libyen bringen. Weil sie es nicht tat, sei sie eine „Schlepperin“?

Falsch! Nach dem Seevölkerrecht sind die Geretteten nicht in den nächsten Hafen zu bringen, sondern „innerhalb einer angemessenen Zeit an einen sicheren Ort“. Dies ist per Definition ein Ort, „an dem das Leben der Überlebenden nicht mehr weiter in Gefahr ist und an dem ihre menschlichen Grundbedürfnisse gedeckt werden”.

In Libyen gibt es nach offizieller Einschätzung der Vereinten Nationen unzumutbare Zustände in Lagern, mit Vergewaltigungen, Folter, Misshandlungen und Hunger (heise.de 06.03.2019). Sogar Berichte von Sklavenmärkten sorgten für internationale Empörung. Nach Libyen darf rechtlich niemand zurückgebracht werden.

„Italien ist nicht irgendein Staat. Italien ist inmitten der Europäischen Union, ist Gründungsstaat der Europäischen Union. Und deshalb dürfen wir von einem Land wie Italien erwarten, dass man mit einem solchen Fall anders umgeht“ (Frank-Walter Steinmeier, Sommerinterview ZDF).

Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) schrieb am Samstag auf Twitter: „Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden. Es ist an der italienischen Justiz, die Vorwürfe schnell zu klären!“.

Aber bei allen Vorwürfen gegen Italien: Die Europäische Union muss ihre „Hausaufgaben“ machen.

Es geht nicht an, dass Italien mit Flüchtlingswellen alleine dastand und -steht. Wo bleibt das restliche Europa? Wer nimmt wie viele Flüchtlinge auf, um das Mitglied Italien zu entlasten?

Wo bleibt die europäische Solidarität, einer der Grundpfeiler der Union?! Gehen wir in uns …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert