Wer den Klimawandel nur auf das Phänomen der Erderwärmung reduziert, diskutiert am eigentlichen Thema vorbei. Es geht darum, soziale Ungleichheit und die ökologische Frage zusammen zu denken.

Es ist, mit anderen Worten, ein Kampf um den Boden, der hier geführt wird. Ein Kampf um die Erde zwischen widerstreitenden Interessen. Um diesen Kampf zu beenden, politisch, ohne Gewalt, muss ein anderes Verständnis von Welt entstehen, das mit einem anderen Begriff verbunden ist als dem des Globalen oder der ökonomischen Schrumpfform der Globalisierung: Es ist der Begriff des Terrestrischen (Bruno Latour, französischer Philosoph), womit die Einsicht gemeint ist, dass die Bedingungen des Lebens auf der Erde von den Menschen selbst geschaffen sind und es kein neutrales oder von außen beschriebenes Globales gibt.

Die Grünen stecken immer noch im Dilemma ihrer Geschichte fest, wenn sie nicht klarmachen, dass sie keine abstrakte Natur schützen wollen, sondern dass der Schutz der Umwelt damit zusammenhängt, eine andere Welt und vor allem ein anderes Wirtschaftssystem als den derzeitigen „Petrokapitalismus“ zu imaginieren und zu schaffen. „Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter der sozialen Frage, das 21. ist das Zeitalter der neuen geo-sozialen Frage“ (Latour).

Eine liberale Demokratie gepaart mit einer kapitalistischen Marktwirtschaft – diese Kombination hat seit der Entwicklung bürgerlicher Gesellschaften im 17. Jahrhundert zu einer beispiellosen Zunahme des materiellen Wohlstands in den westlichen Industrienationen geführt. Lange hielt man dieses Tandem für selbstverstärkend: Materieller Wohlstand führe zur Entstehung einer Mittelschicht, die politische Freiheitsrechte fordere, welche dann wiederum demokratische Institutionen befördere. Der damit entstehende unternehmerische Geist sei zusammen mit dem Glauben an wissenschaftlichen Fortschritt imstande, den jeweils neuen Herausforderungen einer Gesellschaft zu begegnen und damit das Wohlergehen zu mehren.

Vieles an dieser Vorstellung ist in den vergangenen Jahren brüchig geworden. Wachstum schafft nicht notwendigerweise eine breitere Mittelschicht und wenn sie entsteht, fordert sie nicht zwingend mehr Bürgerrechte. Wachstum droht durch die daraus folgende Klimakrise die Grundlagen unseres Lebens zu zerstören, und das Versprechen, dem quasi automatisch mit technologischen Innovationen zu begegnen, lässt sich vielleicht nicht einlösen. Vielmehr scheinen die neuen insbesondere digitalen Technologien nur wenig zur Nachhaltigkeit beizutragen und sie können sogar die Spannungen innerhalb demokratischer Gesellschaften verstärken.

Was ist zu tun?

Alle Lösungen müssen auf folgende Ziele ausgerichtet sein: Nachhaltigkeit, Demokratie, individuelle Freiheit und Wohlergehen.

Was die Umweltpolitik betrifft, so haben sich marktbasierte Ansätze zur Eindämmung von CO2-Emissionen bisher als unzureichend erwiesen. Auf das unkoordinierte Eigeninteresse von Unternehmen und Konsumenten zu vertrauen, ist ebenfalls keine gute Idee. Die derzeit neu diskutierte CO2-Steuer kann eine wichtige Lenkungswirkung entfalten, ist aber letzten Endes nicht ausreichend.

Wir brauchen stattdessen einen Green New Deal, eine entschlossene, international koordinierte Industriepolitik. Wir müssen schnell auf eine klimaneutrale Wirtschaftsweise umsteigen und dabei auch die Ungleichheit verringern (wikipedia.org). Nur so geht der Wandel schnell genug und es lässt sich gewährleisten, dass die Verteilungsprobleme eines solchen Umstiegs angemessen berücksichtigt werden. Das ist wichtig, damit das Vertrauen in die demokratischen Institutionen nicht weiter erodiert.

Jede Diskussion über den Klimawandel und die Erderwärmung, die sich mit den Phänomenen aufhält, führt damit am eigentlichen Thema vorbei. Schon 1992 soll George H. W. Bush gesagt haben, dass der „amerikanische Lebensstil nicht verhandelbar“ (SPON 12.08.2018) sei. Doch, genau darum geht es. Dieser Lebensstil, der mittlerweile weltweit kopiert wird, ist verhandelbar. Jedenfalls dann, wenn man eine Erde für alle will.

Die Antwort muss lauten:

Nicht den Kapitalismus abschaffen, um das Klima zu retten. Wir haben derzeit keine ernsthafte Alternative für ersteren. Entscheidend ist aber auch die Erkenntnis, dass der Kapitalismus, welchen wir betreiben, ein „Kind“ des 19. Jahrhunderts ist. Er wird das Klima ruinieren und damit unsere Lebensgrundlage.

Also müssen wir ihn umgestalten. Wir haben nur wenig Zeit …

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