„Widerruft Artikel 50 und bleibt in der EU“, fodert die auf der Internetseite des Unterhauses hochgeladene Petition,
Das Parlament muss den Inhalt jeder Petition mit mehr als 100.000 Unterzeichnern für eine Debatte berücksichtigen. Alle britischen Staatsbürger – auch im Ausland – und Einwohner in Großbritannien dürfen solche Online-Petitionen unterzeichnen.
Premierministerin Theresa May hatte einem „Exit vom Brexit“ erst wieder beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel eine klare Absage erteilt. Sie hat zudem angedeutet, die geplante dritte Abstimmung über den Austrittsvertrag mit der EU könnte auch ausfallen. Sie werde das Abkommen nach zwei früheren Nein-Voten nur dann kommende Woche abermals zur Vorlage bringen, wenn sich im Unterhaus eine „ausreichende Unterstützung“ abzeichne, so May Ende der Woche in einem Brief an die Abgeordneten (faz.net).
Viele Briten scheinen inzwischen das Gezerre um den EU-Austritt satt zu haben. Mehr als 2,2 Millionen Menschen unterzeichneten eine ans Unterhaus gerichtete Online-Petition, in der gefordert wird, den Brexit abzusagen (landeszeitung.de 22.03.2019).
Großbritannien kann die Erklärung zum EU-Austritt theoretisch einseitig zurückziehen. Den Weg hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil im Dezember bestätigt. Das Land bliebe wie bisher Mitglied der EU. Ein weiterer Austrittsantrag wäre damit nicht ausgeschlossen.
Beim Referendum über den EU-Austritt im Jahr 2016 stimmten 17,4 Millionen Briten für den Brexit. Kaum ein britischer Politiker will sich darüber hinwegsetzen, ohne nicht zumindest eine zweite Volksabstimmung abzuhalten.
Die britische Premierministerin Theresa May könnte laut Berichten von ihrem Kabinett zum Rücktritt gezwungen werden. Das berichteten britische Medien am Sonntag unter Berufung auf Regierungskreise.
Es gebe bereits Überlegungen, dass Vize-Premier David Lidington der Interimsregierungschef werden könnte (thetimes.co.uk). Er soll demnach einen neuen Kurs für den EU-Austritt prüfen. Im Herbst könnte dann ein dauerhafter Premierminister folgen. Die Zeitung berief sich auf elf ungenannte Regierungsmitglieder, die May stürzen wollen.
Nach ihrer ersten Niederlage im Parlament am 15. Januar hatte May mit der EU noch einmal nachverhandelt und Zugeständnisse erwirkt, wonach Großbritannien nicht auf unbestimmte Zeit an die sogenannte „Backstop-Regelung“ gebunden ist. Diese Regelung soll Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindern. Durch den Backstop würde das Vereinigte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleiben, falls nach einer Übergangsphase keine andere Vereinbarung getroffen wird.
Das Land sollte eigentlich am 29. März aus der EU austreten. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten Großbritannien am Donnerstag noch einen Aufschub beim Brexit gewährt. Nimmt das britische Parlament kommende Woche das Austrittsabkommen doch noch an, wird der Brexit am 22. Mai stattfinden.
Sollte der Vertrag keinen ausreichenden Rückhalt finden, könne Großbritannien in Brüssel bis zum 12. April einen weiteren Aufschub beantragen, schreibt May. Dann müsste das Vereinigte Königreich allerdings an den Europawahlen im Mai teilnehmen. May ist nach eigenen Worten „zutiefst davon überzeugt“, dass dieser Schritt „falsch“ wäre (zeit.de).
Der Konflikt rund um den Brexit hat den britischen Parlamentarismus paralysiert. Es wird offen mit Notstandsmaßnahmen gedroht. Im Fall von „No Deal“ soll das Militär auf den Straßen patrouillieren. Die Bevölkerung wird zur Hortung von Lebensmitteln aufgefordert. Es wäre aber falsch zu analysieren, dass der Brexit in Großbritannien eine soziale Krise verursacht hat. Vielmehr haben Jahrzehnte neoliberaler Kahlschlagpolitik Zustände herbeigeführt, die eine Mehrheit für den Brexit erst ermöglicht haben. Das britische Gesundheits- und Sozialsystem liegt am Boden. In den Kommunen sind Einrichtungen wie Bibliotheken oder Schwimmbäder zu Mangelware geworden. Wurden im Jahr 2010 noch 40.000 Nahrungspakete von „Food Banks“, also Tafeln verteilt, waren es 2018 1.3 Millionen Pakete (heise.de).