Es ist ein offenes Geheimnis, dass selbst viele Republikaner in den Vereinigten Staaten dem Mauer-Projekt skeptisch gegenüberstehen, weil sie es für ineffektiv und politisch gefährlich halten. Sie stimmen mit Experten für Grenzsicherung überein, die darauf hinweisen, dass selbst die imposanteste Grenzmauer mit Leitern überwunden oder untertunnelt werden kann. Die frühere Ministerin für Inlandsicherheit Janet Napolitano, eine Demokratin, sagte einmal: «Zeige mir eine 15-Meter-Mauer, und ich zeige dir eine 15,5-Meter-Leiter.» Der republikanische Abgeordnete Will Hurd, dessen Wahlkreis in Texas an Mexiko grenzt, nennt die Mauer „eine Lösung aus dem 3. Jahrhundert für ein Problem des 21. Jahrhunderts“ (nzz.ch).

Erst sollte Mexiko zahlen. Dann sollte der US-amerikanische Kongress das Geld bewilligen. Eine „wunderschöne, massive Mauer“ von 1.000 Meilen Länge werde er bauen und damit illegale Zuwanderung, Drogenhandel und Kriminalität stoppen, fabulierte Donald Trump im Wahlkampf. „Build the wall“ ließ er seine Anhänger skandieren, bis er den Slogan kürzlich in „Finish the wall!“ steigerte: Baut die Mauer fertig (fr.de)!

Tatsächlich ist die Grenzbefestigung entlang der Südwestgrenze der USA in den zwei Amtsjahren dieses Präsidenten nicht gewachsen. Von seinem Betonwall wurde bisher kein einziger Meter gebaut. Mexiko denkt gar nicht daran, für die Abschreckung seiner Bürger zu zahlen. Und auch Republikaner und Demokraten im US-Kongress halten die Tasche zu. Gerade einmal 1,375 Milliarden Dollar für 55 Meilen Zaun, nicht Mauer, haben sie nun bewilligt. Der große Dealmaker hat sich verzockt. .

Die amerikanisch-mexikanische Grenze ist auf rund einem Drittel (1.100 von 3.200 Kilometern) des Verlaufs befestigt. Mehrere Meter hohe Zäune wurden in den letzten dreißig Jahren vor allem bei Bevölkerungszentren wie San Diego, Nogales oder El Paso errichtet. In abgelegenen Gegenden, die für Migranten schwierig zu Fuß zu durchqueren sind, ließ die Regierung niedrige Barrieren errichten, die Fahrzeuge aufhalten sollen.

Die bestehenden Barrieren finden sich vor allem westlich von El Paso. Weiter östlich, in Texas, ist die Landschaft an vielen Orten durch gebirgige Abschnitte und den Grenzfluss Rio Grande geprägt. Eine Grenzmauer ist an den unwegsamen Stellen entweder schwer realisierbar oder unnötig, weil das Terrain für Migranten kaum passierbar ist. Das betont auch Trump, wenn er begründet, weshalb die Mauer sich nicht über den gesamten Grenzverlauf erstrecken müsse.

Der Bau einer massiven Mauer aus Stahl und Beton aber wird viele Jahre dauern. Bürger, auf deren Grundstücken das Monstrum errichtet werden soll, und Gemeinden, denen nun zugesagte Mittel gestrichen werden, haben schon Klagen vor Gericht angekündigt.

Einstweilen sind also die Anwälte mehr beschäftigt als die Bauarbeiter. Und die Zahl der Migranten könnte angesichts der martialischen Töne aus dem Weißen Haus in einer Art Torschlusspanik sogar noch steigen, zumal die Nachfrage nach billigen Arbeitskräften in den USA anhält.

Als Donald Trump am 15. Februar den nationalen Notstand ausrief, um ohne Plazet des Parlaments den Militäretat für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu plündern, schuf der Präsident einen gefährlichen Präzedenzfall. Die Vereinigten Staaten rutschen ein gutes Stück abrutschen in Richtung eines politischen Systems ab, in dem nicht demokratische Regeln, sondern allein der Zweck die Mittel heiligt – und zwar ein eng parteipolitisch, eigennützig definierter Zweck, nämlich die Wiederwahl des Präsidenten im Jahr 2020.

Dass es mehr darum als um die Sache selbst – angeblich illegale Einwanderung, Rauschgiftschmuggel und Gewaltkriminalität – geht, geben im Stillen auch die meisten Konservativen in Washington zu. Selbst diejenigen, die seit Jahr und Tag gegen illegale Einwanderung wettern, versprechen sich wenig von einer Betonmauer oder einem robusteren, längeren Zaun. Die Probleme sind viel zu komplex (faz.net). Auch skeptischen Republikanern ist freilich die symbolische Bedeutung des Mauerbaus für Trumps Präsidentschaft nicht entgangen.

Trump ist beileibe nicht der erste Präsident, der seine exekutiven Befugnisse überdehnt, weil er im Kongress nicht seinen Willen bekommt.

Sein demokratischer Vorgänger, Barack Obama, hatte schon darauf gesetzt, dass sich die Abgeordneten und Senatoren auf eine umfassende Reform einigen würden, die einerseits den Grenzschutz verbessern und andererseits den meisten unerlaubt ins Land gekommenen Einwanderern einen Weg in die Legalität bahnen würde. Erst als das gescheitert war, vergaß der Verfassungsjurist Obama seine Skrupel und erließ Dekrete, die Hunderttausende gut integrierte, junge Migranten, sowie deren Eltern, vor Abschiebung bewahren sollten.

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