Das britische Unterhaus hatte sich gestern Abend in einer Serie von Abstimmungen mit jeweils knapper Mehrheit nur auf zwei Positionen einigen können: Es soll keinen ungeregelten Austritt geben – was aber nicht mehr als eine Willensbekundung war. Premierministerin May soll in Brüssel abermals über die von der EU verlangte Garantie einer offenen Grenze in Irland im Brexit-Deal verhandeln – mit dem Ziel, diesen sogenannten „Backstop“ zu streichen und zu ersetzen. Dafür hatte sich May gestern eingesetzt, so dass sie das Ergebnis als Erfolg verbuchen konnte.
Wenn man für das englische Wort „Backstop“ eine deutsche Übersetzung sucht, dann findet man gleich mehrere Begriffe. Es kann Absicherung, Schutz und Notanker bedeuten, aber auch Auffangmechanismus und Sicherheitsnetz.
Beim Brexit ist mit „Backstop“ ein Sicherheitsnetz gemeint. Und zwar für die irische Insel. Denn nach dem Brexit am 29. März 2019 wird Irland weiterhin in der EU bleiben, Nordirland aber nicht, es wird dann nur noch zu Großbritannien gehören.
Der „Backstop“ soll also ausschließen, dass es an der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland Schlagbäume und Kontrollen gibt. Die EU besteht darauf, weil eine Teilung der irischen Insel ein Wiederaufflammen der Gewalt in der ehemaligen Bürgerkriegsregion provozieren könnte. Der „Backstop“ sieht vor, dass Großbritannien so lange in der Zollunion mit der EU bleibt, bis eine andere Lösung gefunden ist, außerdem sollen in Nordirland weiter einige Binnenmarktregeln gelten. Kritiker fürchten, diese Klausel könne Großbritannien dauerhaft an die EU binden. Solange Großbritannien in der Zollunion ist, muss es sich auch an EU-Regeln halten (wienerzeitung.at).
Die Sorge vieler Briten ist, dass sie als Vereinigtes Königreich sehr lange in der Zollunion der Europäischen Union festhängen. Damit dürfte Großbritannien nämlich keine neuen Handelsabkommen mit anderen Ländern der Welt abschließen und müsste sich auch lange nach dem Brexit weiterhin an EU-Regeln halten.
Das wollen die Brexit-Befürworter auf keinen Fall und gehen deshalb gegen den „Backstop“ auf die Barrikaden. Für die EU ist der „Backstop“ eine feine Sache. Denn der freie Warenverkehr ist damit garantiert und das EU-Mitglied Irland ist geschützt.
EU–Ratspräsident Donald Tusk ließ in dieser Sache verlauten: „Der bestehende Austrittsvertrag ist der bestmögliche Weg zu einem geordneten Brexit“ (zeit.de). Konsequenz: Man wird nicht nachverhandeln!
Die Antwort der EU kommt nicht überraschend. Die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben nach dem Brexit-Referendum vom 23. Juni 2016 sehr schnell die strategische Entscheidung getroffen, die Integrität des europäischen Binnenmarktes um jeden Preis zu erhalten. Sie taten das aus gutem Grund. Die EU hat auf der Weltbühne nur als Binnenmarkt Gewicht. Selbst der nicht gerade europafreundliche US-Präsident Donald Trump verhandelte jüngst direkt mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über Handelsfragen, nicht mit den einzelnen europäischen Staatschefs.
Donald Trump tut das nicht, weil es ihm gefällt, er tut es, weil es nicht anders geht. Europa spricht als Binnenmarkt mit einer Stimme. Das sollte sich nach fester Überzeugung aller 27 Staatschefs der EU auch durch den Brexit nicht ändern.
Experten zufolge könnte aber eine harte und physische Landgrenze zwischen Irland und Nordirland durch vier Arten von Checks verhindert werden (tt.com): So sollen Warenlieferungen bereits an den Häfen und Flughäfen gescannt werden – in vielen Fällen nur durch den Barcode. Solche Transitverfahren gebe es bereits zwischen den Kanarischen Inseln und Spanien.
Die zweite Art von Checks betrifft schriftliche Zolldeklarationen, die durch den Brexit umfangreicher werden dürften. Die Prüfung regulatorischer Vorschriften könne durch Marktüberwachung und Fabriksinspektionen gewährleistet werden. Einzig die vierte Art von Kontrollen erfordert eine klassische Überprüfung, nämlich Tiertransporte und phyto-sanitäre Kontrollen, die sicherstellen sollen, dass Lebensmittel und Agrarprodukte den EU-Sicherheitsstandards entsprechen.