Vor 100 Jahren ist das Bauhaus als Zusammenschluss verschiedener Künstler entstanden. Ihr gemeinsames Ziel war es, Kunst und Handwerk wieder näher zusammenzuführen und die Grenzen zwischen den verschiedenen Kunstformen zu überwinden. Nach den Wirren des Ersten Weltkrieges stellten sie den Menschen in den Mittelpunkt des Kunstschaffens und wie dieser zu leben wünschte.

Die Gründer des Bauhauses wollten vor allem eines: erneuern. Seine Ästhetik und seine Ideenwelt leben bis heute fort. Der Wassily Chair von Marcel Breuer oder die Bauhaus-Leuchte von Wilhelm Wagenfeld sind immer noch gefragt. Den Gründern um Walter Gropius ging es aber nicht nur um eine neue Formensprache, sondern auch um gesellschaftliche Erneuerung (deutschlandradio.de).

Als 1919, ein halbes Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, aus der Hochschule für Bildende Kunst und der Kunstgewerbeschule Weimar das Bauhaus wurde, wollte man auch den Grundstein für eine humanere Gesellschaft legen.

Der Erste Weltkrieg hat auch in Philosophie, Kultur und Kunst die geistigen Traditionen zertrümmert. Das war eine Voraussetzung für den Durchbruch zur Moderne. Doch die Impulse und Ideen, die das Bauhaus aufnahm, bündelte und weitertrieb, waren älter. Die zentrale Idee des Bauhauses, Handwerk und Kunst, Kreativität und Technik als Einheit zu verstehen, entstand schon in der Romantik und wurde später vor allem in der Arts-and-Crafts-Bewegung verfochten, als Gegenbewegung zur industriellen Serienproduktion.

„Bauhäusler“ – das klang wie „Zuchthäusler“ – so nannten viele Weimarianer die Handwerker und Künstler mit Schaudern. Die Avantgardisten bedurften der Nachsicht. Man hatte sich eine Männertracht erfunden, die man – auch die Meister, soweit sie mochten – öffentlich trug.

Noch heute beeindrucken die künstlerisch ganzheitlichen Überzeugungen, die Entwürfe, die schlichten, linienklaren, proportionierten, ja eleganten Produkte für den Alltag. Sie werden – siehe Tapeten, Lampen, Stühle – bis heute nachgeahmt, belegen Geschmack und Stilsicherheit im Wohnraum, gelegentlich demonstrativ, zuweilen auf entspannt-natürliche Weise (augsburger-allgemeine.de).

Andererseits bot das Bauhaus aber auch ästhetische Angriffsfläche, speziell in der Architektur. Zu funktional, zu sachlich, zu kühl, zu karg, zu streng seien die vielfach bevorzugten unverschnörkelt-geometrischen Formen. Gewiss nicht jeder weiße, glatte Kubus, der heute als Wohnhaus oder Unternehmensgebäude hingestellt oder hochgezogen wird, ist Bauhaus – und nicht jeder Sitzwürfel und Freischwinger-Stuhl. Aber unter dessen anhaltendem Einfluss stehen sie schon …

Es hat damals die Idee gegeben, den Alltag und die Gesellschaft zu verändern. „Das ist etwas, was man mit dem Bauhaus sehr stark verbindet: die Erwartung, dass der Gestalter in die Gesellschaft hineinwirkt und zur Verbesserung der Alltagswelt beiträgt“. 1923 kam der Slogan auf „Kunst und Technik – eine neue Einheit“. Dort schwingt wiederum die Vision einer „technisch-künstlerischen Elite“ mit (Philipp Oswalt, Architekt, Dozent an der Universität Kassel).

Wenn heute bei Einfamilienhäusern auf schlichte, kubische Formen und Flachdächer gesetzt wird, dann nicht ohne historische Reminiszenzen. Irgendwie haben die Gründer um Walter Gropius doch etwas für die Ewigkeit geschaffen.

Dazumal hat das Bauhaus nur 14 Jahre bestanden, bis es unter dem Druck der Nationalsozialisten geschlossen wurde. Obwohl die Nazis bei Industriebauten auf Funktionalität setzten, waren Ihnen die Bauhaus-Bewegung suspekt und wurde schließlich als „jüdisch“ und „bolschewistisch“ verdammt (welt.de, 19.07.2009). Doch nicht alle Bauhaus-Meister kehrten Deutschland den Rücken. So mancher konnte unter den Nazis seine Karriere fortsetzen.

Über solch opportunistisches Verhalten abschließend moralisch zu urteilen fällt schwer. Viele Künstler und Intellektuelle täuschten sich zunächst über den Charakter des NS-Systems, klammerten sich an die Illusion, es werde alles halb so schlimm werden, oder der Spuk werde nicht lange dauern. Sogar Theodor W. Adorno schrieb anfangs musiktheoretische Aufsätze mit „völkischen“ Untertönen, um einem Schreibverbot zu entgehen – was ihm leider nicht gelang. Dass die Wirkungsgeschichte des Bauhauses auch unter dem NS-Regime nicht ganz abriss, zeigt vor allem eines: Unter totalitären Verhältnissen bleiben selbst die unverdächtigsten Ideale nicht unbefleckt.

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