Der Streit über den neuen Haushalt Italiens droht zu eskalieren: Der Ton aus Brüssel wird schärfer. Noch hätte die Regierung in Rom die Möglichkeit, ihren Haushalt nachzubessern, doch das Szenario ist unwahrscheinlich. Es besteht die Gefahr, dass die italienische Regierung im eigenen Chaos versinkt und auseinanderbricht.

Bis letzte Woche hatte die populistische Regierung in Rom Zeit, um die Zweifel der EU-Kommission und der EU-Partnerstaaten auszuräumen. Genügte sie dieser Forderung nicht, könnte ihr Etat abgelehnt werden – rundum und krachend. Die Kommission hält die Pläne von Lega und Cinque Stelle für „beispiellos“ überzogen, so steht es in einem Brief. Noch nie habe ein Mitgliedsland die Regeln des Stabilitätspakts dermaßen zu biegen versucht, wie es das hochverschuldete Italien jetzt plane. Abzüglich aller Diplomatie: Deutlicher lässt sich das nicht formulieren!

Eine Neuverschuldung um 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie sie die neuen Mächtigen in Rom anpeilen, um damit einen Teil ihrer abenteuerlichen Wahlversprechen zu realisieren, das ist drei Mal so viel, wie einst mit Brüssel ausgemacht war.

Italien setzt im Schuldenstreit mit Europa auf Konfrontation. Denn auch wenn die Regierungskoalition in Rom immer häufiger streitet und zunehmend auseinanderdriftet – in einem Punkt sind sich Lega-Chef Matteo Salvini und Fünf-Sterne-Anführer Luigi Di Maio einig: Die angesetzte Neuverschuldung für 2019 im Haushaltsentwurf soll bei 2,4 Prozent bleiben, trotz aller Bedenken und früheren Abmachungen mit Brüssel unter Paolo Gentiloni.

Investoren haben zuletzt italienische Staatsanleihen abgestoßen. Allein im August belief sich der Wert der Papiere nach Zahlen der Banca d’Italia auf 17,8 Milliarden Euro. Finanztitel verlieren an der Börse in Mailand, und der Transfer von Kapital aus Italien in die benachbarte Schweiz hat neue Rekorde erreicht, wie Luganer Banker bestätigen. Schon wird spekuliert, ob Italien ein Hilfsprogramm des Euro-Rettungsfonds ESM braucht (handelsblatt.com).

Mit 1,9 oder 2 Prozent Defizit könnte man in Brüssel wohl leben. Vielleicht hätte man die Ratingagenturen auch besänftigen können. Die Agentur Moody’s bestrafte am Samstag die neuen Schuldenpläne der italienischen Regierung und verpasste dem Land einen schlechteren Bonitätswert. Mit der Note „Baa3“ ist das Ramschniveau fast erreicht (n-tv.de).

Die italienische Regierung wird wohl zunächst kaum nachgeben. Jede Dezimalstelle steht für einige Milliarden Euro, die dann für die Finanzierung des Bürgergelds, für die Umkehrung der Rentenreform und für die Reduktion der Unternehmenssteuer für Kleinfirmen fehlen würden. Da die budgetierten Mittel bereits in der expansiven Version des Etats nur für eine Minimalversion dessen reichen, was die beiden Parteien versprochen haben, können Cinque Stelle und Lega kaum davon abrücken. Ihre Wähler würden das nicht verstehen.

„Haushalt des Volkes“, so nennt sich das in der Propaganda der Populisten.

Es gibt eine Drei-Prozent-Grenze in den Maastricht-Kriterien. Mit einer Neuverschuldung um 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hielte Italien doch diese Grenze ein. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Natürlich ist das Drei-Prozent-Kriterium das ausschlaggebende. Aber weil Italien einen so hohen Schuldenstand hat, mit rund 130 Prozent seiner Wirtschaftskraft, hat das Land schon vor Jahren einen Sonderprozess einleiten müssen, um sein strukturelles Defizit deutlich abzubauen. Verabredet war damals, dass in nächsten Jahr nur 0,8 Prozent Neuverschuldung gemacht werden dürfen. Wenn Italien schon jetzt einen riesigen Schuldenberg hat und ständig draufsattelt, dann wird es irgendwann von seinen Schulden erdrückt. Mit einer Abstufung durch die Ratingagenturen werden Kredite für den Staat Italien teurer, an den Märkten gelten schon jetzt deutlich über drei Prozent für zehnjährige Staatsanleihen (Markus Ferber, deutschlandfunk.de). Das Land droht abzurutschen; und es ist die Aufgabe der Kommission, das zu verhindern.

Der römische Antwortbrief wird es in Brüssel klarstellen: Einlenken wollen die italienischen Populisten nicht. Daher wird die Kommission wahrscheinlich bereits diese Woche die nächste Eskalationsstufe erklimmen und schriftlich eine Nachbesserung der italienischen Haushaltspläne verlangen. Wenn die Regierung in Rom darauf auch nicht eingeht, dann dürfte ein EU-Strafverfahren wegen überhöhter Defizite gegen Italien irgendwann unvermeidlich werden.

„Die Europäische Union ist eine Wirtschafts- und Wertegemeinschaft, und die funktioniert, weil es gemeinsame Regeln gibt, an die sich alle halten müssen“ (Sebastian Kurz). Bricht Italien diese Regeln, gefährdet es nicht nur sich selbst, sondern auch andere.

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