Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat Kritik an den Kruzifix-Plänen seiner Landesregierung zurückgewiesen. Das Kreuz sei zwar in erster Linie ein religiöses Symbol, gehöre aber auch zu den „Grundfesten des Staates“. Es habe eine „identitätsstiftende, prägende Wirkung“ für die Gesellschaft und sei auch „ein Stück Selbstvergewisserung unserer kulturellen, gesellschaftlichen und immateriellen Werte“.

Er wundere sich, dass wir über Toleranz für andere Religionen redeten, und uns nicht trauten, zu unseren eigenen Werten, zu unserer eigenen Religion zu stehen. Hinter dem Kruzifix stehe auch ein „ideelles Wurzelgeflecht“, zu dem zum einen die Religion an sich gehöre, „aber auch das, was unser Land geprägt hat: die Kirchen, die Klöster, die Werte, die religiöse Erziehung, die kirchliche Prägung dieses Landes“ (tagesschau.de).

Der Zentralrat der Muslime hat die bayerische Anordnung zum Aufhängen von Kreuzen in Landesbehörden kritisiert. Ein Kreuz in Dienstgebäuden verstoße gegen das Neutralitätsgebot des Staates, so der Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Bayern. Das Kreuz sei „selbstverständlich“ ein religiöses Symbol. „Weder Juden noch Atheisten, noch Muslime identifizieren sich damit.“

Gefordert sei ein gleichberechtigter Umgang mit den Religionen. Wenn der bayerische Staat christliche Symbole in Dienstgebäuden zulasse, solle er konsequenterweise auch das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst erlauben. Gehe es Ministerpräsident Söder (CSU) nur darum, die kulturelle Prägung Bayerns zu betonen, dann solle er die bayerische Flagge aufhängen lassen und keine religiösen Symbole.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, hatte sich zuvor kritisch geäußert. Er habe „im Prinzip nichts gegen Kreuze in Dienstgebäuden“. Man müsse sich aber schon die Frage stellen, welchen Sinn sie eigentlich haben sollten.

Vor einigen Tagen hatte das bayerische Kabinett beschlossen, künftig im Eingangsbereich von Dienstgebäuden des Freistaats ein Kreuz als „sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland“ aufzuhängen. Die Verpflichtung gilt ab 1. Juni. Gemeinden, Landkreisen und Bezirken wird empfohlen, entsprechend zu verfahren. Söder sagte, das Kreuz sei grundlegendes Symbol „unserer bayerischen Identität und Lebensart“.

Da liegt auch die Crux: welchen Sinn macht das Ganze?! Christlich-abendländischer Kulturkreis, gehört der Islam zu Deutschland?, staatliche Neutralitätspflicht gegenüber der Religion. Es gibt noch einige Streitpunkte mehr! Die Frage lautet aber auch: Wenn immer mehr Menschen den christlichen Kirchen den Rücken zukehren, ändert dann eine Pflicht zum Anbringen von Kreuzen bei öffentlichen Gebäuden daran überhaupt etwas? Begeben wir uns nicht auf eine gefährliche Schiene, analog Islamismus?!

Im Interesse des religiösen Friedens ist der Staat, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden hat, zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet – unter anderem im Beschluss von 1995 – in dem es einen Paragraphen der bayerischen Schulordnung kippte, laut dem in jedem Klassenzimmer ein Kruzifix aufzuhängen sei. Der Staat, entschieden die Richter damals, dürfe keine Lage schaffen, „in der der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens (…) und den Symbolen, in denen sich dieser darstellt, ausgesetzt ist“.

Zum kulturellen Erbe dieses Landes gehört im Übrigen die aufklärerische Denkart der Differenzierung. Ja, das Christentum hat Deutschland geprägt. Aber gab es da vielleicht noch ein paar andere Einflüsse? Was ist mit all den jüdischen Dichtern und Komponisten, den atheistischen Ingenieuren, den agnostischen Malern – oder auch mit den muslimischen Kohlekumpels, die mit harter Arbeit halfen, die Stahlwerke zu befeuern? All dies mit dem Kruzifix repräsentieren zu wollen, würde den historischen Fakten wohl nicht gerecht.

Schlussendlich gibt es in Wahrheit sehr profane Gründe, dass Bayerns neuer Oberpopulist in allen Amtsgebäuden christliche Kreuze am Eingang aufhängen lässt. Heimat-Kirche-Söder: Mit diesem Dreiklang soll wieder mal ein Stück Leitkultur definiert werden, mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst zumal. Billiger geht’s nicht mehr, als auf die AfD durch Anpassung zu reagieren.

Kreuze sind auch billiger, im Vergleich zu Sozialprogrammen …

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