In einem gemeinsamen Manifest prangern 300 Vertreterinnen und Vertreter der französischen Gesellschaft einen „neuen Antisemitismus“ in Frankreich an. Sie kritisieren in der in der Zeitung Le Parisien veröffentlichten Erklärung eine „lautlose ethnische Säuberung“ in einigen Stadtvierteln, die auf eine „islamistische Radikalisierung“ zurückzuführen sei. Den Medien werfen sie vor, über die Entwicklung zu schweigen.

Zu den Unterzeichner/-innen des Manifests gehören Politiker aus dem rechten und linken Lager, zum Beispiel Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Manuel Valls, außerdem Künstler wie der Sänger Charles Aznavour und der Schauspieler Gérard Depardieu, ferner Intellektuelle und Vertreter der jüdischen und muslimischen Gemeinden sowie der katholischen Kirche. Auch in Deutschland hatten in jüngster Zeit Politiker verschiedener Parteien vor einem wachsenden Antisemitismus gewarnt.

Feindschaft gegen Juden ist keine Erscheinung der Neuzeit, sondern reicht bis in die Antike zurück. Neu hingegen sind viele Formen, in denen sie auftritt, selten offen, häufig getarnt: In Phrasen wie „man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass…“, als angebliche Israelkritik, als Relativierung und Leugnung der Geschichte. Es ist ein Antisemitismus ohne Antisemiten, der längst die Mitte der Gesellschaft erreicht hat. Aber: Wo endet Kritik an der Politik Israels, wo beginnt Antisemitismus?

Antisemitismus ist mehr als Fremdenfeindlichkeit, auch mehr als ein soziales oder religiöses Vorurteil. Er ist eine antimoderne Weltanschauung, die in der Existenz der Juden die Ursache aller Probleme sieht.

Judenfeindschaft hat eine lange Tradition, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen. Doch erst mit der Verbindung von christlicher Theologie und Judenfeindschaft zum Antijudaismus fand letztere Verbreitung über den gesamten christlich-abendländischen Raum. Seit dem Frühchristentum hatte sich ein negatives Judenbild etabliert, und die verschiedenen antijüdischen Mythen und Klischees, aus denen es sich speiste, prägten die Geisteshaltung und drangen tief in die Mentalität der europäischen Gesellschaften ein. Dabei blieben bis in die Frühe Neuzeit hinein religiös und wirtschaftlich motivierte Vorurteile vorherrschend.

In der jüngeren französischen Geschichte seien elf Juden „von radikalen Islamisten getötet und zum Teil gefoltert“ worden, erklären die Unterzeichner.

Sie verweisen unter anderem auf Ilan Halimi, der 2006 verschleppt und drei Wochen lang gefoltert wurde, die Erschießung von drei Schülern und einem Lehrer vor der jüdischen Schule in Toulouse 2012 und den Anschlag auf den jüdischen Supermarkt Hyper Cacher in Paris 2015.

Für Entsetzen sorgte 2017 auch der Fall von Sarah Halimi, die von ihrem muslimischen Nachbarn aus dem Fenster gestoßen worden sein soll, und die Ermordung der 85-jährigen Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll Ende März.

„Jüdische Franzosen sind 25 Mal mehr gefährdet, angegriffen zu werden, als ihre muslimischen Mitbürger“, heißt es in dem Manifest weiter.

Rund 50.000 Juden seien zum Umzug gezwungen, weil sie in einigen Städten nicht mehr sicher seien und ihre Kinder nicht mehr zur Schule gehen könnten. Frankreich hat die größte jüdische Gemeinde Europas mit geschätzt rund einer halben Million Mitglieder.

Laut Statistik haben Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss in der Regel seltener den Wunsch nach einem „Schlussstrich“, was die Holocaust-Diskussion angeht. Insgesamt spielt auch die politische Einstellung und das politische Selbstverständnis bei der Häufigkeit der Forderung nach diesem „Schlussstrich“ eine Rolle – die stärker konservativ Orientierten neigen eher dazu. Jüngere tendieren etwas weniger zur Schlussstrich-Forderung als Ältere. Allerdings findet der Wunsch nach einem Ende der „Vergangenheitsbewältigung“ auch eine Mehrheit bei denen, die grundsätzlich eine „Kollektivscham“ wegen der Verbrechen der Deutschen an den Juden empfinden Der Vorwurf einer „Kollektivschuld“ aller Deutschen wird ernsthaft nicht mehr erhoben.

Dennoch schlummert er in den Köpfen weiter. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich schwelt der Antisemitismus. Halten wir uns an wissenschaftliche Erkenntnisse und nicht an Verleumdungen. Wir müssen dieses Phänomen in diesem Jahrhundert aus unseren Köpfen verbannen. Die Bombe tickt nach wie vor!

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