„Das Werk ist vollbracht, der Koalitionsvertrag steht“, schreibt Spiegel Online.
Einer der Punkte des 177 Seiten schweren Papiers ist die Digitalisierung. Inhaltlich zu diesem Thema erfahren wir Folgendes:
Bis 2025 soll es flächendeckend schnelles Internet mit Gigabit-Netzen geben, dafür soll ein Fonds von 10 bis 12 Milliarden Euro sorgen. Das Recht auf schnelles Netz soll gesetzlich verankert werden. Im Internet sollen weiter alle Inhalte mit gleichem Tempo transportiert werden – die Netzneutralität bleibt. Zudem soll es unter anderem eine Daten-Ethikkommission geben.
Union und SPD wollen dafür sorgen, die Löcher im Mobilfunknetz gemeinsam mit den Anbietern zu schließen.
Ab 2022 sollen die Bürger alle dafür geeigneten Verwaltungsdienstleistungen auch online ausführen können.
Deutschland ist, was die Kapazität des Internets und dessen Ausbau angeht, Entwicklungsland.
Man braucht Glück, um ordentliches Internet zu haben. Während Bewohner vieler Ballungsgebiete über Breitband-DSL-Anschlüsse mit passablen Übertragungsraten oft ruckelfrei ins Netz kommen, ist der ländliche Raum stellenweise digitale Provinz. Knapp ein Viertel der deutschen Haushalte kriegt nicht einmal 50 MBit pro Sekunde. In Regionen wie dem östlichen Bayern, Thüringens Südwesten oder Sachsens Südosten sind es weniger als die Hälfte. So der Stand im September letzten Jahres.
Deutschland hinkt hinterher, ist abgehängt von der Spitze.
Der dazumal zuständige Bundesminister Alexander Dobrindt (CSU) versprach, dass Deutschland nach dem versprochenen Ausbau zur Weltspitze in Sachen Breitbandinfrastruktur gehören werde. Im Moment sind wir aber noch weit davon entfernt. Jahrelang hatte man auf die Wirkmächtigkeit des Marktes vertraut und keinerlei finanzielle Anreize für einen Ausbau der Infrastruktur geboten.
Anders als in den Ländern mit der weltweit besten digitalen Infrastruktur, wie Südkorea oder Skandinavien, gab es hierzulande weder Subventionen, noch steuerliche Anreize für infrastrukturelle Investitionen. Erst seit 2014 bessert sich die Situation. Ab da werden jährlich Milliardensummen bereitgestellt, um den Rückstand aufzuholen.
Dass es höchste Zeit für einen Ausbau der Digitalinfrastruktur ist, bestreitet kaum jemand. An der Frage, wie dieser Ausbau vonstattengehen sollen, entbrennt aber ein Streit. Zwar gibt die Bundesregierung strategische Ziele vor, die erreicht werden sollen, doch gibt es keinerlei Vorgaben, auf welchem Wege man diese erreicht.
Unser Kupferkabelnetz ist nicht ausreichend! Glasfaserkabel ist zukunftsträchtiger, aber kostenintensiver als Kupferkabel. Glasfaser erlaubt Übertragungsgeschwindigkeiten von mehreren Gigabit pro Sekunde, der zu erwartende Anstieg der Gesamtdatenmenge durch die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und immer datenintensivere Freizeitangebote wie unter anderem Virtual-Reality-Applikationen sind mit Glasfaserkabeln problemlos möglich.
Während andere europäische Länder, wie beispielsweise Spanien, den Netzausbau mit Glasfaserkabeln vorantreiben, lag Deutschland beim Glasfaser-Ausbau weltweit 2016 auf dem vorletzten Platz. Die Zielvorgaben der Bundesregierung werden deshalb ohne den nötigen Ausbau des Glasfaser-Netzes nur mittelfristig für die Verbesserung der Situation sorgen. Man hält sich immer noch mit der Frage auf, ob wir überhaupt mehr Geschwindigkeit brauchen (DIE WELT).
Die Datenmengen werden weiter steigen. Schlagwörter wie Industrie 4.0, Internet der Dinge und Virtual Reality gelten als Zukunftstechnologien und haben eines gemeinsam: Sie sind extrem hungrig nach Daten. Auch die Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G ist nur möglich, wenn die Funkmasten über Netzanschlüsse mit entsprechender Übertragungsgeschwindigkeit versorgt sind.
Aber es geht nicht nur um Übertragungsgeschwindigkeit. Die neuen Technologien benötigen auch Leitungen mit möglichst niedriger Reaktionsgeschwindigkeit. Zudem gilt es die Sicherheit der übertragenen Daten und die Energieeffizienz der Datenübertragung zu gewährleisten.
Nehmen wir an, die Koalitionäre hatten all diese Aspekte im Blick: der derzeitige Entwurf zum Netzausbau in Deutschland ist auf lange Sicht unzureichend. Und jetzt große Versprechungen, die bis in sieben Jahren realisiert werden sollen. Kann sich eine der stärksten Marktwirtschaften der Welt einen solch vergleichbar langen Zeitraum überhaupt leisten? Zudem darf man gespannt sein, ob die hochgesteckten Ziele bis 2025 überhaupt erreicht werden können.
Ist das druckfrische Koalitionspapier vielleicht schon jetzt überholt?!