Wer träumt davon nicht: Sich selbst eine Lohnerhöhung zu geben?!

Es gibt kaum ein Thema, das in Deutschland kontroverser diskutiert wird als die Höhe der Diäten. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, dann wurde er jetzt erbracht. Die „BILD“ schreibt aktuell: „Dreiste Politiker im Bundestag: Keine Regierung, aber sie erhöhen sich schon die Diäten!“ AfD und Linke legten in der Boulevardzeitung nach. Statt sich die eigenen Taschen zu füllen, sollten sich die Abgeordneten lieber um die Bürger kümmern, forderte Sahra Wagenknecht, Chefin der Linken-Fraktion. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach – mit gewohnten Kraftausdrücken – von einem „verheerenden Signal“. Damit war die Grundlage für eine turbulente Debatte im Bundestag gelegt. Um was geht es hier?

Unsere Abgeordneten müssen über die Höhe ihrer Diäten selbst entscheiden. Viele Arbeitnehmer würden sich über ein derartiges Privileg freuen, doch den Parlamentariern ist es zur Last geworden. Trotz so mancher Nullrunde mussten sie sich nach jeder Erhöhung als raffgierig beschimpfen lassen. Die Abgeordneten folgten deshalb schon vor einigen Jahren dem Rat einer Expertenkommission, die Diäten an den Nominallohnindex, also an die Entwicklung der Löhne und Gehälter der Beschäftigten, zu koppeln. Seit 2016 wird nach dieser Regel verfahren, derzeit erhalten Abgeordnete 9.542,– € monatlich.

Jetzt gab es allerdings ein Problem. Das Abgeordnetengesetz schreibt vor, dass jeder neu gewählte Bundestag dieses Verfahren in den ersten drei Monaten nach seiner Konstituierung bestätigen muss, damit es in Kraft bleibt. Deshalb hatten Union, SPD und FDP für die letzte Sitzung einen entsprechenden Antrag auf die Tagesordnung setzen lassen. So schreibt es auch § 11 Absatz 5 des Abgeordnetengesetzes vor.

Die AfD habe den Antrag „voller Scham“ zur Kenntnis genommen, sagte deren Abgeordneter Stefan Keuter in der Debatte. Es gehe um „hart erarbeitetes Steuergeld“, der Automatismus bei den Diäten sei deshalb „schlicht eine Frechheit“. Wortgewaltiges Statement, die Kohle nimmt man auch bei den Rechten!

Jan Korte von den Linken sprach sich zwar für eine angemessene Entschädigung der Abgeordneten aus. Der Bundestag müsse sich bei seinen Diäten-Entscheidungen aber schon fragen, wie diese draußen bei den Leuten, die hart arbeiten, ankommen. Er regte eine Reform des Abgeordnetenrechts an mit dem Ziel, dass die Parlamentarier wie normale Beschäftigte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Außerdem könnten Abgeordnete einen Teil ihrer Diäten freiwillig für gemeinnützige Zwecke spenden. In der Linksfraktion seien auf diesem Weg in der vergangenen Legislaturperiode knapp 700.000,– € zusammengekommen.

Die parlamentarischen Geschäftsführer der Unions- und der SPD-Fraktion wiesen die Kritik an dem geltenden Verfahren vehement zurück. Die jetzige Regelung sei „transparent und sehr nachvollziehbar“. Außerdem gehe es gar nicht um eine Erhöhung der Diäten, sondern lediglich darum, die Regelung zu verlängern. Die nächste Anpassung der Diäten nach dem Nominallohnindex steht tatsächlich erst zum 1. Juli 2018 an (§ 11 Absatz 4 Abgeordnetengesetz).

Das Grundgesetz verpflichtet die Abgeordneten, selbst über die Höhe der Diäten zu entscheiden. Die Parlamentarier sollten trotzdem selbstbewusst sagen, dass ihre verantwortungsvolle Tätigkeit „unabhängigkeitssichernd und angemessen“ entschädigt werden muss. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, warf der AfD „antiparlamentarische Propaganda“ vor. Das jetzige System sei „plausibel, transparent und sinnvoll“. Deshalb trage man den Antrag von Union und SPD mit.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, fragte, wo der Skandal liege, den manche herbeireden wollten. Die Vorwürfe der AfD, hier solle etwas heimlich durchgepeitscht werden, seien „Blödsinn“. Über das Thema sei bereits Mitte Oktober im Vor-Ältestenrat gesprochen worden, dabei habe es noch keinen Widerspruch von der AfD gegeben.

Am Ende votierte der Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen für eine Verlängerung der geltenden Regelung – Linke und AfD waren – wie zu erwarten – dagegen.

Also: Viel Geschrei um nichts! Es ging lediglich um die Beibehaltung des Verfahrens betreffend die Diäten, nicht um deren Höhe selbst. Die steht erst nächsten Sommer zur Debatte.

Und unsere Abgeordneten müssen nach Grundgesetz in Verbindung mit dem Abgeordentengesetz alimentiert werden, ihre Unabhängigkeit sichernd (Artikel 48 Absatz 3 Grundgesetz).

Ein korrupter Abgeordneter ist eine Gefahr für die Demokratie!

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