Rostra-AusrufezeichenWie kannst du schweigen und den Mund halten, wenn ein nahestehender, gar geliebter Mensch vor seelischer Zerrissenheit außerstande ist, sich vorwärts zu bewegen und sich zu helfen? Er kann es nicht. Und lässt es dich wissen. Auf seine Art, eine Art, die nicht immer vordergründig zu verstehen ist. Eine Art, die nicht leicht zu durchschauen ist und die es sehr schwer macht, weil du gar nicht weißt, wie es richtig ist. Es kommt etwas auf dich zu, du spürst es deutlich, kannst es nicht fassen, nicht greifen – und dennoch fühlst du es. Die Luft riecht nach Tod, sie hat den schweren Druck, der vor einem Gewitter herrscht und danach kommt die Ruhe. Totenstille.

Du wusstest es, es gab genug Zeichen, die du nicht übersehen konntest. Sprach er von leerem Fall, sprach er von der Überflüssigkeit des Daseins und der Neugierde auf das Danach? War die Stimme ein leises Flüstern in deinem Ohr oder gar verstummt? Der Strohhalm warst du, du alleine. Nicht für dich, das darfst du nicht sein, es war gewiss nicht deine Schuld. Niemand trägt Schuld, wenn ein Mensch die Nacht liebt und von Euphorie in die Lähmung stürzt. Niemand, außer derjenige, der den Tag nicht sieht.

Schon ganz schön unverschämt, dich mit all deinen Fragen und Sorgen alleine zu lassen. „Tschööö, macht´s gut, ich bin dann mal weg.“ Einfacher geht es nicht um anderen den Mist zu überlassen, so tragisch es auch sein mag. Nein, ich schweige nicht, wenn mir jemand was vom Sonnenuntergang im Herzen und zerquetschter Seele erzählt. Ich packe ihn beim Schopf und ziehe ihn an den Haaren auf die Couch – so schnell entkommt mir keiner! Soweit kommt´s noch, dass man sich heimlich aus dem Staub machen könnte und die angefangen Dinge nicht mehr erledigt. „Schlappschwanz“, sage ich nur. „Drückeberger. Verpisst sich in ein anderes Leben und dabei gibt es keinen Grund dafür.“ So einfach ist es nicht? Klar, ist es auch nicht. Aber willst du es einfach zulassen, dass ein Mensch seiner bipolaren Störung die Hand reicht und sich ins Jenseits befördert? Ich nicht! Zu viele sind vor dem Zug gelandet, haben sich erhängt, erstickt und Abgase ins Wageninnere geleitet und meistens waren das die Besten. Sensible, hoch intelligente, kultivierte Menschen, die einen herben Verlust für die Menschheit bedeuten. Sie zerbrechen an ihren nicht-gelebten Dingen, sie zerbrechen am Leben, sie haben es sich nicht ausgesucht, als sie auf die Welt gekommen sind, sie haben ein Defizit. Der Tod lebt mit ihnen, wie bei jedem von uns, aber sie sehen ihm mit freiwilliger, großer Freude ins Auge. Für mich eine Ablehnung an das Leben, ein Infrage-Stellen des gesamten zuvor gelebten Lebens. Ausschuss? Das wäre zu einfach. Natürliche Selektion? Könnte sein. Hilfe? Dringend nötig. Verständnis? Habe ich nicht. Klingt intolerant, aber habe ich nicht. Der Tod kommt früh genug, da ist es meine Pflicht, Menschen mit Todessehnsucht an den Haaren zu packen und dorthin zu zerren, wo es eine Chance gibt, diesem Zustand zu entrinnen. Die verdammte Pflicht von jedem Einzelnen ist das! Zur Not mit Medikamenten, Therapie, Beschäftigung – und auch du, schau nicht zu, wenn jemand um dich herum sich an den Rand des Todes wagt, um da beherzt hinein zu springen.

 

© Petra M. Jansen

 

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