Liebe Spießbürger,
zweifelsohne habt ihr die Heimat fest im Griff – aus eurer Sicht ist sie ein kitschiges Gebilde. Lauter blankpolierte Wesen, vom dröhnenden Hirsch bis zum Dirndl samt provozierende Brust, Melkkühe auf der Weide, glückliche Schweine, die mit Freude auf den Schlachter warten, besoffene Mannsbilder beim Ballermann! Heimatliche Gefühle, die vom Kitsch erobert worden sind und dazu eine Pseudo-Volksmusik, die einem den Magen verdreht. Deutschland, das Land der Musiker, das ich nicht lache! Mehr oder weniger betagte Schlagersänger und ihre Schnulzen beherrschen den Markt, je banaler desto populärer! Ist das die Kultur, die die Heimat beflügeln soll? Ist das das Sinnbild unserer Zivilisation? Dazu ein virulenter Nationalismus, der uns lehren soll, dass wir die Besten sind! Dass die Asylanten nur zum Abfall gehören. Liebe Spießbürger, solche Gedanken entwickelt ihr und das nur aus Angst, dass eure neogotischen Möbel einen Kratzer bekommen könnten. Leute, das ist nicht meine Heimat!
Wenn ich mich mit der entarteten Kunst beschäftige, sehe ich in welchem Loch die damalige Gesellschaft gestürzt ist. Die Nazis haben hemmungslos den Kitsch benutzt, um das Volk an sich zu ziehen. Dabei ist es bestürzend zu erfahren, wie eng Belanglosigkeit und Grausamkeit angekettet sind. Das Spießertum wurde regelrecht zum Träger des Regimes hinauf gehisst. Anständige Menschen, die immer korrekt sind, die eigentlich einer Fliege kein Leid antun könnten, wurden im Namen einer Ideologie zu Mördern umgewandelt. Wenn ich im Fernsehen sehe, wie mit den Migranten umgegangen wird, muss ich zwangsläufig an „den guten alten Zeiten“ denken. Menschen, die sich mit Kaffee und Kuchen zustopfen, das Ganze mit Meisen-Geschirr und lauter Nippes, werden zu verbalen Mördern. Dabei auch „Möchte-Gern-Germanen“ die die Stimmung mit Gewalt anheizen. Ein süßliches Wir-Gefühl, dass schnell in Pogrome umkippen kann. Liebe Spießbürger, ihr bereitet mir Angst, weil ihr unberechenbar seid.
Was meint die Heimat dazu? Ich habe versucht, sie nachzufragen. „Ich bin Kummer gewohnt und in meinem Namen spielen die Menschen verrückt. Leute, die der Meinung sind, sich auf dem Schlachtfeld beweisen zu müssen! Der romantische Wahn, sein Leben für das Vaterland opfern zu müssen.“ Um dieses Gefühl zu erzeugen, müssen Feindbilder erfunden werden und in der Regel sind es immer die Schwächeren, aber auch diejenigen, die die kleinbürgerlichen Klischees in Frage stellen. Um bestehen zu können, wird das Minderwertige als Qualitätsmerkmal gewählt. Wenn der Geist solche Wege geht, kann es gefährlich werden und das ist der Grund warum, liebe Spießbürger, warum ich mich vor euch fürchte, denn durch eure Minderwertigkeitskomplexe seid ihr unberechenbar – das ist mir unheimlich. Je naiver ihr euch ausdrückt, desto schlimmer kann es ausgehen. Ihr versucht schon ein Lebensgefühl zu vermitteln, aber er ist oft vergiftet, weil er nur mit dem Begriff „Ausgrenzung“ bestehen kann. Nein, die Heimat gehört euch nicht alleine und auch nicht die Umwelt, in der ihr lebt! Aber das könnt ihr nicht verstehen, ihr denkt, dass ihr mit eurem Edelkitsch die Werte eines Landes verkörpert, aber so ist es nicht! Die Vielseitigkeit ist ein Garant für Lebensqualität und für eine Geistesöffnung! Gerade das macht euch unsicher, liebe Spießbürger und das ist der Grund, warum ihr oft so grausam seid. Servus!
//pm
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