In Sicherheitskreisen stößt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz auf Kritik. Man müsse mit dem Urteil leben, sagte Lothar de Maizière in Berlin. Es sei zu respektieren und umzusetzen.
Geklagt hatten unter anderen Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum, der frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann und einige Grünen-Politiker. Sie sehen durch die Befugnisse Bürgerrechte verletzt und fordern Nachbesserungen am Gesetz. Eine der beiden Verfassungsbeschwerden richtet sich auch dagegen, dass das Bundeskriminalamt (BKA) die Informationen an die deutschen Geheimdienste und ausländische Stellen weitergeben darf.
Was hat das Bundesverfassungsgericht unter Aktenzeichen 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09 entschieden?
Das Gericht hat umstrittene Maßnahmen zur Terrorabwehr in Teilen abgelehnt. Das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung durch das BKA ist demnach in weiten Teilen verfassungswidrig. Die Befugnisse der Behörde zur heimlichen Überwachung greifen in der Praxis unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger ein, so das Bundesverfassungsgericht. Das Gericht machte zahlreiche Auflagen, damit die Regelung vorerst weiter angewandt werden kann. Der Gesetzgeber muss bis Ende Juni 2018 nachbessern.
Das BKA-Gesetz von 2008 umfasst dem Gericht zufolge 14 Paragrafen mit 49 Absätzen, die zahlreiche Befugnisse des BKA zur heimlichen Überwachung bei der Abwehr des internationalen Terrorismus regeln. Das BKA darf dazu etwa Wohnungen Verdächtiger mit Kameras und Mikrofonen verwanzen und auch Schlafzimmer und Bäder rund um die Uhr bespitzeln.
Zudem ist dem BKA die Bespitzelung von unbeteiligten Kontaktpersonen erlaubt. Die Behörde darf Telefonate mithören, Computer online durchsuchen, alle Kommunikation, die über Computer geführt wird, aufzeichnen und gewonnene Daten an in- und ausländische Dienste weitergeben.
Laut dem Urteil sind solche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte zur Terrorabwehr zwar grundsätzlich zulässig – allerdings nur, wenn sie das sogenannte Verhältnismäßigkeitsgebot „strikt einhalten“. Diesen Anforderungen werden viele der Ausführungsbestimmungen nicht gerecht: Das Gericht entschied, dass sie teils zu unbestimmt sind bzw. zu weit gehen, dass es an Transparenz oder richterlicher Kontrolle sowie der Pflicht fehle, das Parlament und die Öffentlichkeit über Maßnahmen zu informieren.
Es geht also um den Grundkonflikt zwischen Sicherheit und Datenschutz. Anders ausgedrückt: Terrorabwehr gegen Privatsphäre!
Das reformierte BKA-Gesetz ist auch Grundlage für den „Bundestrojaner“, eine eigens entwickelte Software, die auf der Computer-Festplatte eines Terrorverdächtigen Daten zum Beispiel aus Chats abschöpft.
Sicherheitsdienste sehen Probleme. Bei der Zusammenarbeit von BKA und Nachrichtendiensten sei nun „eine Beschränkung“ zu befürchten. Die Karlsruher Richter halten die „Übermittlungsbefugnisse“ des BKA an andere inländische Behörden für verfassungswidrig. Der Senat nennt konkret die Weitergabe von Daten zur Gefahrenabwehr. Es sei verfassungswidrig, wenn das Gesetz unabhängig von einem „konkreten Ermittlungsansatz“ eine Übermittlung allgemein zur Verhütung terroristischer Straftaten erlaube. Das Gericht bewertet die Befugnisse des BKA zur Übermittlung von Daten an die Verfassungsschutzbehörden, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und den Bundesnachrichtendienst (BND) als „unverhältnismäßig weit“.
Gemeint ist hier ein Passus aus § 20. Danach kann das BKA bislang personenbezogene Daten an die Nachrichtendienste übermitteln, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür bestehen, dass die Daten erforderlich sind zur Sammlung und Auswertung von Informationen über militante Aktivitäten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.
Ein Sicherheitsexperte ist der Ansicht, dass alles hätte so bleiben müssen. „Wenn das BKA auch nur den Anschein des Anscheins eines Staatsschutzdelikts hat, müssen den Nachrichtendiensten die Daten über Verdächtige geliefert werden.“
Hand aufs Herz: Rechtfertigt das NSU-Desaster, dass wir aus Sicherheitsgründen alle rund um die Uhr überwacht werden? Dass wir quasi alle unter Pauschalverdacht stehen? Die Karlsruher Richter sind – meines Erachtens zu Recht – der Meinung: Nein!