Skurril: Unter den Bauern Hollands geht die Angst um. Kiloweise stehlen Diebe alten Käse – und dazu noch beste Ware. Die Ermittler vermuten organisierte Banden.

Rätselhafte Einbrüche beunruhigen Hollands Bauern. Überall im Land sind Einbrecherbanden unterwegs, die Jagd auf die berühmteste Spezialität des Landes machen: den Käse. 650 Millionen Kilo davon werden pro Jahr hergestellt, zwei Drittel sind für das Ausland bestimmt. Das macht die Niederlande, im stetigen Wettbewerb mit Deutschland, zum größten bis zweitgrößten Käseexporteur der Welt. Aktuell liegt Deutschland knapp vorn. Doch immer noch exportiert Holland jährlich Käse im Wert von 4,1 Milliarden Euro, das entspricht 13,7 Prozent der Käseexporte weltweit.

Käse ist ein Riesengeschäft. Käsediebstahl ist für kleine Käsebetriebe eine existenzielle Bedrohung. Bei den Dieben handelt sich um Gourmets: Sie stehlen mit Vorliebe die besonders guten, von Hand hergestellten und lange gereiften Produkte. In Holland wird Käse weniger nach Sorten (da gibt es unter anderem Edamer, Gouda und Leerdamer), als nach Alter unterschieden. Je älter, desto wertvoller. Das reicht von jung (vier Wochen gereift) bis alt und „überjährig“ oder „brokkel“ (länger als ein Jahr gereift).

Werden alte Käselaibe gestohlen, fehlen den Bauern nicht nur so lange die Einnahmen, bis junger Käse nachgereift ist. Sie verlieren auch Kunden, die in der Zwischenzeit zu anderen Lieferanten ausweichen. Die Zeitung NRC.next hat ausgerechnet, dass im vergangenen Jahr in ganz Holland 8.500 Kilogramm Käse gestohlen wurden. Gesamtwert: rund 90.000 Euro.

Der Bund der Hofkäsereien ruft seine Mitglieder mittlerweile auf, die Laibe gut wegzuschließen. Es gehe um organisierten Diebstahl, vermutet dessen Vorsitzende.

Weil weniger gut gesichert als Fabriken, sind vor allem kleine Höfe betroffen. „Die Diebe brechen blitzschnell ein, schnappen sich den Käse und verschwinden sofort wieder, ohne dabei nennenswerte Spuren zu hinterlassen“, bestätigt ein Polizeisprecher.

Aus einer preisgekrönten Käserei in Hellouw wurden im Oktober 2015 200 Laibe gestohlen, die insgesamt 25.000 Euro wert waren. Ein schmerzhafter Verlust für Noordam: „Vor allem die Käse, die schon seit zehn Monaten reifen. Da steckt viel Arbeit drin. Und dann kommt so eine Käsebande daher.“

Die Bauern vermuten, dass er für Menschen besorgt wird, die ihn nicht legal kaufen können: für Russen. Seit die russische Regierung als Reaktion auf die westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise ein Importverbot für europäische Produkte – unter anderem holländischen Käse – ausgesprochen hat, ist jener in Moskau zu einem sehr begehrten Gut geworden.

In den Supermärkten wird dort bereits unechter Käse verkauft. Die russische Landwirtschaftsaufsichtsbehörde bemängelte im letzten Oktober, dass beinahe 80 Prozent der im Land als Käse verkauften Produkte kein reiner Käse seien. Häufig werde statt Milch Palmöl verwendet.

Im August vergangenen Jahres, ein Jahr nach dem Importstopp, deckte die russische Polizei ein ganzes Netzwerk von Käseschmugglern auf. Die Festgenommenen sollen die Zutaten illegal aus westlichen Ländern importiert, den fertigen Käse dann umetikettiert und an Supermärkte in St. Petersburg und Moskau verkauft haben. Offenbar ein lukratives Geschäft: Experten schätzen den Wert der gefälschten Ware auf umgerechnet 27,5 Millionen Euro.

Käse, das neue Gold! Ein Luxusprodukt für Russlands Millionäre? Beweise dafür, dass organisierte Banden im Auftrag reicher Russen in Holland Käse stehlen, gibt es bislang nicht. Noch ist kein einziger der Diebstähle aufgeklärt.

Die Käsemacher verweisen hartnäckig auf Indizien. In Holland selbst sei gestohlener Käse kaum abzusetzen. Käselaibe bekämen nämlich eine Seriennummer und seien somit unverwechselbar. Der Markt sei klein, man kenne sich untereinander.

Verschwörungstheorien lodern, die Gerüchteküche brodelt. Indizien führen zu einer russischen Käsemafia. Aber vielleicht steckt auch etwas ganz anderes dahinter. Fakt ist: Momentan ist kein Käselaib seines Lebens sicher!

 

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