Nach einem Bericht der „Rheinischen Post“ hielt das Deutsche Rote Kreuz in Düsseldorf eine Umbenennung des Sankt-Martins-Umzuges in „Lichterfest“ für sinnvoll. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, weil wir im Sinne von Integration und Einheit so viele Kinder wie möglich erreichen wollen und weil so mehr an unserem Zug teilnehmen“, erklärte Katrin Piller, Leiterin der DRK-Kita in Gerresheim. Dort wird in diesem Jahr ein „Lichterfest“ gefeiert. Die Don-Bosco-Montessori-Gemeinschaftsgrundschule in Oberkassel lud unlängst zu einer Laternenausstellung unter dem Titel „Lichterfest“ ein, „um Integration zu erleichtern“.
All das erinnert an eine Diskussion aus dem Jahr 2013. Damals hatte die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen das „Aus“ für die Laternenumzüge zu Sankt Martin gefordert. Die Gründe klangen ähnlich: aus Rücksicht gegenüber muslimischen und anderen nichtchristlichen Kindern.

Kritik hagelte von allen Seiten, auch aus der eigenen Partei.

Die interessanteste Stellungnahme kam damals allerdings vom Zentralrat der Muslime. Der sah nämlich keine Notwendigkeit für eine Umbenennung. Dass Sankt Martin ein katholischer Heiliger sei, stelle für Muslime keinen Hinderungsgrund dar, an den Umzügen teilzunehmen. „Das Leben des heiligen Martin ist doch geradezu vorbildlich, auch für Muslime“, erklärte der Vorsitzende Aiman Mayzek damals gegenüber der WELT.
Dazu passt, dass sich gerade, laut eines weiteren Presseartikels in anderen Düsseldorfer Schulen mit überdurchschnittlich hoher Zahl muslimischer Kinder, diese für den Martinsumzug stark gemacht haben.

Der Durchschnittsdeutsche hat Angst, anderen Menschen auf den Schlips zu treten. Mag die Angst noch unterschwellig aus den Jahren des Terrors von 1933 bis 1945 herrühren, woher auch immer. Der Deutsche hat kein Gespür für die goldene Mitte. In den zwölf Jahren des Hitlerregimes wurden andersgläubige oder auch -denkende Menschen verfolgt, grausam gequält und getötet. Dies alles aus Gründen eines perversen Nationalstolzes. Die politische Linke verfällt genau ins andere Extrem: Ja niemand einen Grund geben, sich ausgegrenzt zu fühlen. Sieht man Reibungspunkte, müssen solche entfernt werden. Alles wird gleich, wir alle sind gleich!

Beide Sichtweisen sind mehr als daneben! Nationalismus hat uns geschadet und wird uns zukünftig wieder schaden. Die Zeit der Nationalstaaten ist vorbei, wir leben im 21. Jahrhundert. Das heißt aber nicht, dass alles gleich wird. Jede Gruppe von Menschen hat eine Tradition, so auch ein Staatsvolk. Sind wir zum Beispiel Deutsche, so sind wir nicht nur deutsch, sondern haben auch eine regionale Kultur. Dialekt, Kochrezepte, diverse Feste und so weiter. Das ist nicht im Norden so wie im Süden, im Osten auch nicht wie im Westen. Nicht umsonst hat man den Föderalismus gewählt, will sagen, die Regionen und deren Traditionen gestärkt. „Deutsch“ ist nur ein Überbegriff, den Deutschen ohne den Westfalen oder den Hessen gibt es nicht. Und das ist gut so!

Wer Traditionen und Kultur aufgibt, macht sich selbst inhaltslos. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: wir sind „gefangen“ in unseren Traditionen und unserer Kultur. Niemand kann den Stall verleugnen, aus dem er kommt. Warum auch?!

Wenn zum Beispiel Muslime sagen, dass sie der Sankt-Martins-Umzug nicht stört, ihre Kinder im Gegenteil gerne daran teilnehmen, dann ist das ein Stück Integration. Unsere Kultur entwickelt sich, indem wir fremde Einflüsse zulassen und sie zum Teil auch uns zu eigen machen. Das ist schon seit Jahrtausenden so. Es kommt nicht auf den Gegensatz Muslim – Christ an, sondern dass Kinder gut und böse voneinander unterscheiden lernen. Und diesbezüglich hat jede Religion Vorbilder zu bieten. Und praktisch ausgedrückt: Warum sollte nicht beim nächsten Sankt-Martins-Umzug ein muslimischer Sankt Martin die Straße heruntergeritten kommen? Warum nicht?!

Sind wir doch alle erwachsen genug. Gefällt uns der ganze Firlefanz mit dem Lichterkram nicht, dann gehe ich da nicht hin. Dann ist mir egal, wie das Fest heißt und auch, ob ich Jude, Christ, Muslim oder Buddhist bin. Es ist meine freie Entscheidung.

 

Im „Focus“ vom Donnerstag, den 05. November 2015 stand nun zu lesen: „Rotes Kreuz rudert zurück: ´Sankt Martin heißt Sankt Martin und nicht Lichterfest´“. Ich denke, es war die richtige Entscheidung.

Der deutsche Michel sollte lernen, die Dinge etwas ausbalancierter zu sehen.

© Thomas Dietsch

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