Bewegung in der Zeit, Ruhe in der Ewigkeit. Was wollen die ganzen Leute auf der Straße? Leben ist so, es besteht aus Bewegung. Produktivität und Energieverbrauch, eine Grundsatzfrage! Bin ich als Bürohengst produktiv? Ist es gerechtfertigt, dass ich allmorgendlich soviel Energie in Form von Sprit verpulvere für eine Art von Beschäftigung, welcher ich nachgehe? Und das Gleiche abends noch einmal. Der Mensch bewegt sich, vielleicht ist er dazu geboren. Nestflüchter, wie die Pferde, ist er nicht. Aber kaum auf den Beinen, ist er ständig unterwegs! Insofern ist der Begriff „Bürohengst“ eigentlich widersinnig. Man bewegt sich so gut wie gar nicht und wenn, dann rollt man. Man setzt Fett an, Winterspeck, der auch im Sommer nicht mehr verschwindet. Wo sind wir eigentlich gelandet, hier, in unserer Zeit?! Wir lassen uns für acht Stunden Tätigkeit bezahlen. Nebenbei verbringen wir noch Stunden auf irgendwelchen Straßen. Vollkommen unproduktiv, nerven andere. Wie oft habe ich mir die Frage gestellt, ob denn die ganzen Leute wirklich auf der Straße sein müssen! Gleiches denken die von mir. Wie viel Zeit verbringt der moderne Mensch eigentlich im Laufe seines Lebens auf der Straße, womöglich noch in Staus?! Hat das irgendwer einmal ausgerechnet? Nimmt man die Zeit, während der man schläft oder irgendwo rumgammelt noch dazu, was bleibt dann eigentlich übrig? Übrig von einer angenommenen Lebenserwartung von wegen mir 80 Jahren? Nicht allzu viel, oder?! Was bedeutet Leben? Was ist Lebensqualität? „Fahr zu, Du …“. Die Frage muss doch lauten: Schöpfen wir wirklich alles aus, was das Leben zu bieten hat? Es können doch nicht nur die Wochenenden und die Urlaube sein? Sind wir so auf die Arbeit konditioniert, dass es in der Freizeit zum Familienzoff kommt? Ist das gar so gewollt?! Ja, geile Verschwörungstheorie! Aber passt doch! Was ist denn mit den ganzen Singlehaushalten? Ist doch optimal für Arbeitgeber, die Kapitalisten. Nimm Deinem Arbeitnehmer die Zeit für Freizeitaktivitäten, dann konzentriert er sich auf den Beruf. Ein Leben für den Job! Besser kann es doch nicht laufen! Soll erst gar nicht auf dumme Gedanken kommen! Der Traum eines jeden Arbeitgebers, ein Leben für die Firma. Apropos Lebensqualität: Hat unser modernes Leben eine neue Qualität bekommen? Liegt der Sinn nicht mehr im Verweilen, sondern im Streben von A nach B? In einem solchen nach Produktionssteigerungen? Wirtschaftswachstum? Tolle Sache, ich kann mir vieles dafür kaufen. Kleine Trostpreise für verlorene Lebensqualität. War das früher anders? Ich weiß es nicht, habe es nicht erlebt oder einfach vergessen. Früher war nicht alles besser. Es war anders … Besser anders oder schlechter?! Was ist, wenn ich kurz vor dem Burn-out bin? „Welcher … hält hier bloß den Verkehr auf!?“. Was ist das für Musik auf diesem Sender? Hip-Hop in der Wüste. Ich tanze auf die Rhythmen in rotem Sand. Meine Füße scheinen zu qualmen. Rote Dünen, geschmeichelt von einer gelben Sonne an blauem Himmel. „“Ja, schon gut! Hör auf zu hupen! Zwei Autolängen … Geht´s Dir nicht schnell genug, oder was?!“. Böser Blick in den Rückspiegel. Die erhobene Faust oder den Mittelfinger spare ich mir. Man wird ja heute so schnell angezeigt. Mit einem Schuss Adrenalin in der Blutbahn schaut man wieder auf die Rückleuchten und die Heckscheibe des Vordermannes. Dies in dem Bewusstsein, es dem Hintermann gerade so richtig verbal gegeben zu haben. Beruhigt irgendwie. Er hat nichts erwidert. Wie soll er auch?! Er hat wohl nicht die Bohne von meiner Schimpftirade mitbekommen. Wahrscheinlich hat er gerade über diesen Nichtskönner im Wagen vor ihm hergezogen. Das Leben ist so ungerecht! Fünfzig Meter noch, maximal drei Ampelschaltungen. Vielleicht auch mehr. Hinter der Kreuzung staut es auch … Es ist nicht nur das Fahren, was einem Lebenszeit stiehlt, es sind auch diese Staus. Man ist Bewegung so gewohnt, dass einen dieses nutzlose Rumstehen total annervt. Das Fahren ist unproduktiv, der Stau ohnehin. Und was tut der gute Arbeitnehmer? Er steht früher auf, weil er den Stau einkalkuliert. Diese Zeit geht wiederum von meiner Schlafenszeit ab. Deshalb muss ich früher ins Bett, was mich wieder Freizeit am Abend kostet. Es ist ein Teufelskreis. Wenn ich die Zeit vor mir trüge – nehmen wir diese Ampel in rund 50 Metern Entfernung – man hat einfach das Gefühl, als fresse ein Monster, von dort kommend, einem immer mehr von diesem kostbaren Gut auf. Und ich habe nichts zu verschenken! Beim nächsten Grün werde ich die Kreuzung passieren. Der Stau dahinter löst sich auf. Wir fahren. Ich tätschele das Armaturenbrett meines Fahrzeugs wie den Hals eines Pferdes; Urinstinkte! Ich glaube, wenn ich einmal Rente beziehen sollte, werde ich mich zu Tode langweilen. Der morgendliche Ärger wird mir fehlen.

© Thomas Dietsch

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