Liebe Europäer,
hinter geschlossenen Türen wird zurzeit das transatlantisches Freihandelsabkommen (TTPI) verhandelt. Die europäische Kommission achtet sehr darauf, dass wir vor vollendeten Tatsachen stehen werden und das ist aus meiner Sicht unakzeptabel, denn wieder einmal wird über unsere Köpfe entschieden. Grundsätzlich finde ich die Absicht, die Zölle zwischen der EU und Amerika abzubauen, eine gute Sache, aber dabei wird es nicht bleiben. Ich befürchte, dass wir irgendwann mit genmanipulierten Waren zu tun haben werden, dass es im Bereich Arbeit zu Dumpinglöhnen kommen wird, dass sich der soziale Abbau fortsetzen wird. Warum liebe Europäer? Einfach, weil es eine andere Lebensphilosophie jenseits des großen Teiches gibt.
Schon beim Thema Soziales werden wir unsere Probleme haben. In Europa wird Gott sei Dank sehr darauf geachtet, dass die Arbeitnehmer nicht ohne eine solidarische Fürsorge da stehen. Was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, ist in den USA mehr oder weniger verpönt, denn dort wird mit dem Argument hantiert, dass der Staat sich in private Dinge nicht einmischen darf, dass die Freiheit jedes Einzelnen die absolute Priorität haben soll und dass damit Armut und Elend erzeugt wird, scheint einer Mehrheit egal zu sein. Unser System hingegen kostet viel Geld, die Kosten werden paritätisch verteilt. Sowohl Lohnempfänger als auch Unternehmern werden zur Kasse gebeten. Das Resultat: die Preise steigen entsprechend. Auf den Weltmarkt können sich die USA Vorteile erhoffen und das zu Lasten der Arbeitnehmer. Da muss unbedingt Druck ausgeübt werden, um einen Ausgleich zustande zu bringen. Man darf doch träumen! Am liebsten wäre es mir, dass Amerika die eigene Bevölkerung menschenwürdig behandelt.
Der NSA-Skandal hat gezeigt, wie rücksichtslos die USA handeln, wenn es um ihre eigene Interessen geht. Ohne Rücksicht wird spioniert, abgehört, mehr oder weniger erpresst. Das ist nicht das Verhalten von Mafia-ähnlichen Gangs, aber das einer Regierung, die sich als Hüterin der Moral betrachtet und wir, die Freunde, wurden regelrecht betrogen. Wie das letzte Treffen zwischen Frau Merkel und Herr Obama gezeigt hat, wird sich nichts ändern. Es gibt nichts Schlimmeres, wenn man dem Partner kein Vertrauen schenken kann und was in der Partnerschaft oder in der Ehe als vernichtend betrachtet wird, ist es auch in den internationalen Beziehungen. Ein übler Nachgeschmack bleibt bestehen. Deswegen wird es zurzeit schwer sein mit einem klaren Kopf über das transatlantische Handelsabkommen zu verhandeln. Mit Recht müssen wir befürchten, über den Tisch gezogen zu werden und eines steht fest: wir dürfen keinen Vertrag unterschreiben, bevor nicht jedes Detail sorgfältig ausgehandelt ist. Entgegen meiner Natur, würde ich es begrüßen, dass wir die Rolle der Schildkröte einnehmen und uns sehr viel Zeit lassen um solch ein Werk zu vollenden und wir dürfen uns nicht vormachen, unser Gegenüber wird alle Hebel in Gang setzen, um sich zu unseren Lasten Vorteile zu ergattern – und das im Namen der Freundschaft.
//pm