Januar 2014: Bei der Hinrichtung Dennis McGuires kommen erstmals Midazolam und Hydromorphin als Inhalt der Giftspritze zum Einsatz. Zuschauer beobachten wie er versucht, sich aufzurichten. Wiederholt ballt er die Fäuste. Es scheint, als kämpfe er um sein Leben, während er erstickt. Der Mix aus Beruhigungs- und Schmerzmitteln sollte Dennis McGuire schnell töten. Erst nach 24-minütigem qualvollem Todeskampf wird er für tot erklärt.

Der Staatsanwalt erklärt anschließend, es gebe kein Recht auf einen schmerzfreien Tod.

April 2014: Clayton Locketts Exekution wird nach wenigen Minuten abgebrochen, weil es Probleme mit der Giftinjektion gibt. Er windet sich sich im Todeskampf vor Schmerzen. Erst 43 Minuten nach Verabreichung der nicht erprobten Giftmischung erleidet er einen tödlichen Herzinfarkt.

US-Bundesstaaten, die die Todesstrafe vollstrecken, suchen nach einem Ersatz für die bislang verwendeten Präparate europäischer Pharmaunternehmen, denen die EU-Kommission den Export der Chemikalien für Hinrichtungen verboten hat.

Frage: Muss das sein? Zunächst zum Ausgangspunkt: Damit keine Missverständnisse entstehen: Wer zu Recht des Mordes verurteilt wird, d. h. für einen Mord, den er wirklich begangen hat, ist ein Verbrecher und mit voller Härte des Gesetzes zu bestrafen. Muss es die Todesstrafe sein? Auf welche gedanklichen Säulen stellen wir diese Art der Strafe? Ist sie in einer postmodernen Gesellschaft noch zu vertreten?

Auf Aspekte und Unterschiede von Rache und Vergeltung kann aus Gründen des Umfangs dieses Artikels nicht eingegangen werden. Aber gebe es das Strafmonopol des Staates nicht, praktizierten wir nach wie vor Rache und Vergeltung. Wie von alters her bekannt lag es bei den Angehörigen, der Familie oder der Sippe des Ermordeten, dass dieser gerächt wurde. Nicht selten zog Rache wieder Vergeltung der Familie des nun Getöteten nach sich. Eine unendliche Kette des Todes war die Folge. Ohne staatliches Strafmonopol drohte die Welt im Chaos, Anarchie zu versinken, der eine schlachtet buchstäblich den anderen ab. Unvertretbar!

Warum wird ein Verbrecher bestraft? Neben dem Bedürfnis der Vergeltung will der Staat abschrecken, sowohl den Täter selbst (abgesehen von der Todesstrafe!) als auch die Gesellschaft. „Seht her, wer Straftaten begeht, dem wird es ebenso ergehen!“. Es ist altbekannt: Das Prinzip der Abschreckung funktioniert nicht. Trotz Todesstrafe wird sogar weiter gemordet. Jeder Täter glaubt von neuem, das perfekte Verbrechen zu begehen.

Die Strafe hatte früher den Zweck: Man hat entweder dem Täter das Gleiche zugefügt wie jener seinem Opfer: z. B. wer getötet hat, wird auch umgebracht; wer gestohlen hat, dem nimmt man ebenfalls etwas. Oder man spiegelte die Tat am Körper des Täters: Dem Dieb wurde die Hand abgehackt. Man stigmatisierte den Gesetzesbrecher, hier kommt wieder die Abschreckung ins Spiel.

Warum halten wir die Todesstrafe überhaupt noch aufrecht? Meiner Meinung nach wissen wir es eigentlich gar nicht mehr. Da spielen Dinge aus dem Unterbewusstsein mit, derer wir uns nicht gewahr sind. Archaische Aspekte wie der, dass der Verbrecher aus der Gesellschaft ausgesondert werden muss, sprich getötet. Das „Prinzip des faulen Apfels“, wohl eher ein emotionaler Aspekt! Die Frage ist nur, warum warten Todeskandidaten heute in ihrer Zelle so lange auf die Vollstreckung ihrer Strafe? Teilweise sind es zehn bis zwanzig Jahre. Offensichtlich soll der Zelleninsasse Reue zeigen, sich besinnen, bevor er aus dem Leben tritt … Ganz so archaisch sind wir also doch nicht mehr!

Hier kommt auch ein weiterer Aspekt ins Spiel: die Religion! Ich stelle mal eine provokative These auf: Der Delinquent tritt mit seiner Hinrichtung vor das Angesicht Gottes. Er muss bereuen, um seine Seele zu retten. Dies kann er nach altem Brauch aus dem Mittelalter nur, wenn er an der Schwelle des Todes steht. Es geht nicht um den Körper des Täters, seine Seele will man mit der Todesstrafe für die Ewigkeit retten! Es gibt ein altes italienisches Sprichwort: „Von hundert Hingerichteten sind neunundneunzig für die Ewigkeit gerettet!“

Nur: Was ist mit dem einen? Dem einen, der nicht religiös ist? Der nicht bereut? Konsequenz: wir dürfen ihn nicht töten!

Und: Wer will sicher beurteilen, ob ein Delinquent bereut oder nicht? Da gibt es sehr viel Unsicherheit!

Alles in allem: Aufgrund zweier verpfuschter Hinrichtungen in diesem Jahr sollten wir hinterfragen, ob in einer sich zusehends säkularisierenden Welt die Todesstrafe überhaupt noch eine Rechtfertigung hat.

Ich sage: Nein!

© Thomas Dietsch

 

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