Liebe Schafe,

es ist schon beruhigend, wenn ein Pastor durch die Türkei reist und seine Meinung kund gibt, auch wenn er damit Porzellan zerbricht. Joachim Gauck hat dies zum Leid von Recep Tayyip Erdoğan gemacht und er hat ihm mit Recht die Leviten gelesen.Pierre Mathias Der Premier unterdrückt die Opposition, beschränkt drastisch die Meinungsfreiheit und versucht immer mehr die Demokratie zu seinen Gunsten zu domestizieren – das ist in der Tat beängstigend. Früher war ich ein Anhänger einer Mitgliedschaft der Türkei innerhalb der EU, heute habe ich meine Zweifel. Was dort sich abspielt, zeigt, wie entfernt dieses Land von unseren Idealen ist. Wir haben schon mit unseren Pappenheimern eine Menge zu tun, wie zum Beispiel Ungarn, wo es beinah faschistisch zugeht, deshalb sollten wir mit unserer Kritik vorsichtig sein. Gibt es Parallelen zwischen Erdoğan und Orbán? Schon, wenn es um die Intoleranz geht, aber auf dem Papier steht, dass jede Art von Intoleranz bekämpft werden sollte. Stoff genug für den ehemaligen Pastor und ich würde mir wünschen, dass er sich in Budapest genauso äußern würde.

Liebe Schafe, nicht ohne Grund gehören wir zu dieser Gattung. Wir brauchen einen Oberhirten, der uns den Weg zeigt und wenn er sich Hitler nennt, ist das Selbstmord. Wir verfolgen blind, was uns befohlen wird, deshalb ist es eine Gnade, dass es einen Joachim Gauck gibt. Der zwingt uns, Position einzunehmen und sie zu vertreten. Das ist sein Verständnis vom Amt des Bundespräsidenten. Ein Mahner, der sich nicht scheut, gegen den Strom zu schwimmen. Ich habe öfter über die Tugenden der Diplomatie geschrieben, aber sie kann nur entstehen, wenn eine klare Linie erkennbar ist. Gauck hat die Freiheit, das zu äußern was er denkt und sollte es ohne ja und aber tun. Ich hoffe, dass er das Gleiche in Deutschland äußern würde, wie in der Türkei. Zu oft habe ich den Verdacht, dass er zu vorsichtig ist und die Frage stellt sich immer wieder, ob ein Präsident Politik machen darf oder nicht, ob er die Entscheidungen der Regierung hinnehmen muss? Nein, wäre meine Antwort, auch wenn Zurückhaltung von der Verfassung verlangt wird.

Heute erkenne ich, dass ein Bundespräsident nicht unbedingt ein Blinddarm sein muss. Er vertritt das Volk, die Stimme von all die jenigen, die nicht zum Zuge kommen, die man nicht hört. Ein Anwalt sozusagen, der sich laut ausdrücken muss. Repräsentation alleine kann nicht das Ziel sein! Ich befürworte nicht immer, was Joachim Gauck von sich gibt, aber die Tatsache, dass er seine Meinung ausdrückt, ist mir so wertvoll, dass ich ihn gerne unterstütze. Wer für die Demokratie kämpft, darf nicht schweigen, wenn Unrecht geschieht, das sollte jeder von uns verinnerlichen und auch wir sind gefragt, wenn wir Zeugen von Ungerechtigkeiten sind. Wegschauen ist nicht die gute Methode um Freiheit zu erlangen, das hat der Bundespräsident in der Türkei demonstriert. Ich würde mich freuen, wenn es zu einer Diskussion mit unseren türkischen Mitbürgern in Deutschland kommen würde. Auch sie sollten mit uns die Demokratie unterstützen und Erdoğan die gelbe Karte zeigen.

//pm

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